Fotos: Master-Student Clemes Krüskemper hat uns Eindrücke aus Taiwan geschickt. Fotos: privat
Zu anderen Zeiten würde ein Bericht über einen Semesteraufenthalt im Ausland ganz andere Themen beinhalten, doch das Coronavirus hat weltweit starken Einfluss auf das tägliche Leben, auch in Taiwan.
Die kleine Insel vor dem Festland Chinas wird in den Medien ostmals als beispielhaft im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus erwähnt. Im März (29.03.2020) verzeichnete Taiwan 298 Fälle der Covid-19-Erkrankung, wesentlich weniger als anfangs befürchtet. Gründe für diese sehr niedrige Fallzahl gibt es vermutlich viele. Durch den SARS-Ausbruch im Jahr 2003 ist Taiwan besser für solche Pandemien gewappnet als die meisten europäischen Länder; das Tragen eines Mundschutzes gehört hier auch außerhalb solcher Ausnahmesituationen zum alltäglichen Bild; die gegenseitige Rücksichtnahme in der Bevölkerung ist groß; von Seite der Regierung wird alles getan, um die Verbreitung zu stoppen.
Inzwischen (09.04.2020) sind die Einschränkungen deutlich verschärft worden und auch die Universität reagiert mit strengeren Konsequenzen, um das Virus weiter einzudämmen. Der Betrieb ist komplett auf Online-Vorlesungen umgestellt worden. Tatsächlich bin ich zuletzt knapp einer zweiwöchigen Quarantäne „entkommen", da die Regierung elf Gebiete in Taiwan als Hochrisikogebiete eingestuft hat, von denen ich in der Woche zuvor zwei besucht hatte. Soweit geht es mir gut, auch ich habe mich nun entschlossen, meine Wohnung nur noch mit Mundschutz zu verlassen und auf unnötige Aufenthalte in öffentlichen Bereichen zu verzichten. Trotz der weiteren Maßnahmen ist der Alltag aber nahezu uneingeschränkt möglich.
Was hat die Taiwan-Regierung gleich zu Beginn verordnet? Kurze Zeit nach dem Ausbruch des Virus in der Provinz Hubei wurden sämtliche Flüge dorthin gestrichen. Dies wurde wenig später auf das gesamte chinesische Festland erweitert und chinesischen Staatsbürgern wurde die Einreise verweigert. Nachdem Taiwan die Grenzen geschlossen hatte, ist es für Personen, die nicht Bürger der Republik China (Taiwan) sind, nicht mehr möglich einzureisen; einreisende Staatsbürger Taiwans müssen sich zwei Wochen in Quarantäne begeben, die per Besuch, Anruf und GPS-Tracking überwacht wird. Bemerkenswert ist, dass diese wirkungsvollen Maßnahmen vollkommen ohne Informationen der WHO (World Health Organization = Weltgesundheitsorganisation) erfolgt, der Taiwan aufgrund des politischen Einflusses Chinas nicht angehört.
Die Maßnahmen der National Taiwan University of Science and Technology (NTUST), an der ich mein Auslandssemester im Studiengang Architektur absolviere, ermöglichte lange einen nahezu reibungslosen Ablauf des Studiums. Sämtliche Zugänge zum Campus waren bis auf zwei Ausnahmen gesperrt. An diesen Zugängen wurden genau wie in einzelnen Gebäuden, wie Mensa und Bibliothek, Temperaturmessungen vorgenommen. Die wohl ungewöhnlichste Maßnahme war der Hinweis, dass an frequentierten Orten wie in den Aufzügen oder in der Mensa eine Art Sprech-Verbot herrschte, auf das mit Schildern hingewiesen wurde. In anderen Bereich des öffentlichen Lebens dürfen sich die Menschen nur mit Mundschutz und regelmäßig desinfizierten Händen bewegen.
Was bedeutet diese Regelungen für das tägliche Leben? Die Menschen in Taiwan haben sich schnell mit den Maßnahmen arrangiert. Der Alltag ist im weitesten Sinne nicht eingeschränkt, es ist bis auf einzelne Ausnahmen weiterhin möglich durch das Land zu reisen, abends auszugehen oder kulturelle Einrichtungen zu besuchen. Doch am wichtigsten ist die gegenseitige Rücksichtnahme. Ohne diese würde dies alles nicht funktionieren!
Text und Fotos: Clemens Krüskemper, Studiengang Architektur, 2. Semester Master Architektur. Der Student ist seit März in Taiwan und wird voraussichtlich bis Juli bleiben.