Der Weltenergierat Deutschland hat seinen neuen Bericht „Energie für Deutschland“ veröffentlicht, in diesem Jahr zum Schwerpunktthema „Wege in die Klimaneutralität“. Die drei Autoren Prof. Stefan Ulreich (Hochschule Biberach), Dr. Volkmar Pflug und Dr. Karl Schönsteiner (beide Siemens) stellten in einer Online-Veranstaltung am 22. Juni die Hauptergebnisse ihrer Arbeit vor. Im Anschluss gab der Europaabgeordnete Michael Bloss eine politische Einordnung der Ergebnisse. An dem Event nahmen knapp 150 internationale Zuschauer teil.

In dem Bericht wird deutlich: Auch wenn immer mehr Regierungen und Unternehmen das Ziel der Klimaneutralität proklamieren, so integrieren dich die wenigsten negative Emissionstechnologien in ihre Strategie. Gerade diese jedoch sollten eher heute als morgen in den Blick gerückt werden, kommentierte Dr. Carsten Rolle, Geschäftsführer des Weltenergierat Deutschland: „Ohne die Integration von negativen Emissionen in Klimaschutzstrategien werden die Pariser Klimaziele nicht erreichbar sein. Umso drängender ist es für Politik und Gesellschaft, deren Weiterentwicklung und Anwendung zu diskutieren und zu fördern.“

Klimaneutralität ist bereits im Pariser Klimaabkommen verankert als ein Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß anthropogener Treibhausgasemissionen auf der einen und dem Abbau der Gase durch Senken auf der anderen Seite. Genau für dieses „Senken“ brauche es negative Emissionstechnologien, so die Autoren in ihrer Studie. Auf staatlicher wie auch auf Unternehmensebene verbleiben Treibhausgasemissionen, die kaum oder nur mit einem sehr hohen Kostenaufwand vermieden werden können. Hierdurch entstehe der naturgemäße Bedarf an „negativen Emissionen“, die der Atmosphäre entzogen werden müssen. Hinzu komme der Bedarf an Kompensation der Emissionen, die durch Zeitverzug in den Klimaschutzbemühungen entstehen. „Je später das Ziel einer vollständigen Vermeidung aller anthropogenen Emissionen erreicht ist, desto höher wird später der Bedarf an negativen Emissionstechnologien bzw. Senken sein“, erklärte Carsten Rolle.

Negative Emissionstechnologien stehen laut der aktuellen Studie noch am Anfang ihrer Entwicklung. Sie unterscheiden sich in den Kosten pro eingesparter Tonne CO2, in ihren physikalischen Grenzen und in ihrem Einfluss auf die Umwelt. Die Aufforstung als eine CO2-Senke ist derzeit die günstigste Variante ( 5-50 USD/t CO2); Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS), ein Verfahren zur Gewinnung von Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft, noch sehr kostspielig (100–300 USD/t CO2). Weitere Technologien sind u.a. Biomasseverstromung mit Carbon Capture and Storage (BECCS), Biokohle zur Anwendung auf dem Boden und die Förderung von Kohlenstoffbindung im Boden durch Biomassewachstum.

Selbst die ambitionierteren nationalen Klimapläne umfassen derzeit nur Maßnahmen zur Vermeidung von Treibausgasemissionen, erläutert Professor Ulreich die Ergebnisse. In wenigen Ländern (z.B. in Schweden und in der Schweiz) spiele der Einsatz von Carbon Capture, Utilization and Storage (CCUS) eine Rolle, allerdings im kleineren Maßstab. Kaum ein Land habe negative Emissionstechnologien in seine Strategien integriert, außer z.B. das Vereinigte Königreich, das sich als weltweit führender Anbieter von CCUS-Technologie in Kombination mit Biomasse positioniert.

Die Analyse, so Ulreich, zeigt klar: Ohne die Integration von negativen Emissionen in Klimaschutzstrategien werden die Pariser Klimaziele nicht erreichbar sein. Der internationale Austausch auch im Hinblick auf den Handel von Klimaschutzleistung sei hierbei essenziell, denn jedes Land habe unterschiedliche geografische und strukturelle Bedingungen für den Klimaschutz. „Die frühzeitige Förderung und Anwendung von negativen Emissionstechnologien durch Entscheider aus Politik und Wirtschaft wird bei einer weiteren Verstärkung der Klimaschutzambitionen auf internationaler Ebene zu Wettbewerbsvorteilen führen,“ so Carsten Rolle.

Illustration: Climeworks

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AKTUELLE STUDIE

PRESSESPIEGEL FAZ vom 22. Juni 2020, Mit neuem Schwung in Richtung Klimaneutralität