Viele Menschen assoziieren mit hochbegabten Kindern häufig außergewöhnliche Intelligenz und Hochleistung – eine an sich positive Einschätzung. Dennoch ergeben sich, gerade für die Eltern, einige Herausforderungen. Die Anerkennung und angemessene Begleitung einer Hochbegabung sind entscheidend, damit ein Kind sein volles Potenzial entfalten kann. Verschiedene Initiativen setzen sich deshalb dafür ein, Familien mit hochbegabten Kindern zu unterstützen und zu fördern. So auch die Hector Kinderakademie. Sie bietet als einziges landesweites Förderprogramm besonders begabten und hochbegabten Grundschulkindern zusätzlich zum regulären Schulunterricht ein speziell für sie entwickeltes Förderprogramm an. Der Schwerpunkt der Kursthemen der Hector Kinderakademien liegt auf den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Angeboten werden die Kurse von Experter*innen und Wissenschaftler*innen, die selbst in diesen Bereichen tätig sind. Zu diesen gehört auch Sandra Behmüller – sie ist Mitarbeiterin an der Fakultät Biotechnologie der Hochschule Biberach (HBC) und seit 2020 Dozentin für die Kinderakademie. Auch in diesem Semester leitet sie einen Kurs.

Es ist Freitagnachmittag und im Vorlesungsraum am Campus Aspach der Hochschule Biberach (HBC) sitzen acht junge, wissbegierige Kinder, die sich schon auf den heutigen Input freuen. Nach der Schule waren sie alle nur kurz zum Essen zuhause, um danach direkt am Kurs „An die Schaufeln, fertig, los! Mit Wissenschaftler*innen den Boden erforschen“ bei Sandra Behmüller teilzunehmen. Von Müdigkeit ist (noch) keine Spur. „Abends bin ich dann schon etwas platt“, verrät der 8-jährige Hannes, der in die dritte Klasse geht. Gemeinsam mit den sieben anderen Kindern ist er Teil des Citizen-Science-Projekt (Bürgerwissenschaftsprojekt). Das heißt, dass die Kinder durch ihre Arbeit im Kurs selbst zu echter Forschung beitragen und das Gelernte direkt anwenden.

Schild mit Hinweis auf Arbeiten der Hector Kinderakademie im Garten
Schild mit Hinweis auf Arbeiten der Hector Kinderakademie im Garten

Denn das Projekt dient der Erhebung des sogenannten Tea-Bag-Index. Dabei handelt es sich um eine einfache und wissenschaftlich anerkannte Methode zur Bestimmung der Abbaurate von organischem Material – in diesem Fall von Tee – im Boden. Der Tea-Bag-Index dient Wissenschaftler*innen dazu, den Einfluss des Klimawandels auf den Boden besser zu verstehen. Das Citizen-Science-Projekt ist eine Kooperation mit der Arbeitsgruppe für Bodenkunde und Geomorphologie an der Universität Tübingen unter der Leitung von Professor Dr. Thomas Scholten.

Inhalt und Material bekommt Sandra Behmüller von der Uni Tübingen zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Präsentationen, kleine Filme, Evaluationsbögen und Arbeitsgeräte – wie heute Schaufeln und Teebeutel. Trotz der guten Planung ist es für die Dozentin ein großer Aufwand: „Die Vorbereitung ist sehr aufwendig. Alle Versuche, die wir hier durchführen, muss ich vorab zuhause testen“, berichtet die Biotechnologin. Dennoch mache ihr der Kurs sehr viel Spaß, denn „man lernt auch selbst etwas dazu und die Kinder machen total motiviert mit.“

An diesem Freitagnachmittag dürfen die Kinder richtig aktiv werden. Es geht nach draußen, um Teebeutel einzugraben. Vorab haben sie die Beutel gewogen, dann werden sie im Vorgarten der HBC in ein 8 cm tiefes Loch eingegraben, das mit einem Meterstab ganz genau abgemessen wird. Anschließend zeichnen die jungen Forscher*innen in einer Schatzkarte die Standorte der Teebeutel ein, bestimmen die Bodenart, die darin befindlichen Lebewesen und die Vegetation in der Umgebung. Dasselbe macht jedes Kind zu Hause im eigenen Garten nochmal mit dem Aktionskit des Citizen-Science-Projekt. Nach drei Monaten müssen die Beutel wieder ausgegraben werden. Danach werden die Beutel getrocknet und erneut gewogen. Aus der Differenz der Messwerte von Ausgangs- und Endgewicht lässt sich schließlich die Menge an nicht zersetztem Material errechnen. Diese Daten werden an das Forscherteam nach Tübingen weitergegeben. Der Tea-Bag-Index dient Wissenschaftler*innen dazu, den Einfluss des Klimawandels auf den Boden besser zu verstehen.  „Es ist richtig cool den Boden zu erforschen und zu lernen, was unter unseren Füßen los ist“, freut sich die 8-jährige Mila über den spannenden Kurs. Und auch Henriette ist begeistert: „Die Experimente sind spannender als in der Schule.“

Knapp über 400 Kinder besuchen aktuell im Landkreis Biberach die Hectorkurse. Finanziert und unterstützt werden die Kurse von der Hector Stiftung II und vom Kultusministerium. Für die Eltern ist die Teilnahme ihrer hochbegabten Kinder kostenlos. Das ist für Karl-Josef Strohm, Geschäftsführer der Hector Kinderakademie im Landkreis Biberach und selbst langjähriger Kursleiter, auch das Besondere an dem Angebot: „Hier werden Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft und der finanziellen Mittel der Eltern, gefördert und unterstützt.“ Auch er war beim dreistündigen Kurs mit dabei und hat die Kinder beim Experimentieren und Forschen beobachtet. Die Begeisterungsfähigkeit und Wissbegierigkeit stecken an und machen Sandra Behmüllers Arbeitsaufwand wieder wett. „Es ist eine Win-Win-Situation und macht einfach nur Spaß“, freut sich die Kursleiterin. Das kommt auch bei den Kindern an: „Frau Behmüller macht´s richtig cool und nimmt sich Zeit für uns“, sind sich die acht Kinder einig.

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