Eine besonders bemerkenswerte Eigenschaft hat sich die Hochschule Biberach (HBC) in den 60 Jahren ihres erfolgreichen Bestehens bewahrt, sagte der Rektor der HBC, Prof. Dr.-Ing. Matthias Bahr anlässlich der Jubiläumsfeier: Sie pflege ihre Eigenheiten – und sei gerade deshalb besonders beliebt. Diesen Vergleich zum gallischen Dorf der bekannten Comic-Helden Asterix und Obelix zog Bahr anlässlich der Veranstaltung „100 Jahre akademische Bildung“ am vergangenen Freitag. Nicht nur die HBC feierte in diesem Rahmen Geburtstag, sondern auch die ihr angegliederte, gemeinnützige Stiftung Akademie der Hochschule Biberach blickte auf 4 Jahrzehnte zurück. Mit der Jubiläumsveranstaltung nahmen die HBC und ihre Akademie das Zukunftsthema Ressourcen in den Blick.

Alle Foto: HBC

 

„Das Dorf der Unbeugsamen hört nicht auf, den Römern Widerstand zu leisten“, sagte Bahr und erinnerte daran, dass die HBC „nicht selten dadurch beschrieben werde, dass man das Wort nein in Biberach wohl nicht kenne“. Das Bild passe sowohl zur Widerstandsfähigkeit der Hochschule also auch zu ihrem Veränderungswillen. Die Methode sei erfolgreich – für die Staatliche Ingenieurschule, mit der 1964 alles begann, für die Fachhochschule ab 1971 und für die heutige Hochschule für angewandte Wissenschaften, so der Rektor.

Matthias Bahr, Rektor
Rektor Matthias Bahr

Dr. Gerd Leipold, Vorsitzender des Hochschulrates ging in einem Grußwort auf diesen Vergleich nochmals ein. Die HBC habe das Glück, nicht nur von Römern umgeben zu sein, sondern von Unterstützern in Industrie, Wissenschaft und vor allem: der Raumschaft. Dass Landkreis und Stadt Biberach auch in der Zukunft Seite an Seite ihrer Hochschule stehen, das machten Landrat Mario Glaser und Oberbürgermeister Norbert Zeidler in ihren Beiträgen deutlich. Die Region sei nicht nur ideell eine gute Partnerin, so Glaser, sondern auch materiell. Mit rund 20 Millionen Euro habe man die HBC in den vergangenen Jahrzehnten in ihrer „permanenten Weiterentwicklung“ unterstützt, skizzierte Zeidler, und versicherte: „to be continued!“

Einen ganz persönlichen Rückblick hat auch Prof. Gerhard Künstner zur Verfügung gestellt. Er zählte zu den sieben Dozenten, die am 1. April 1964, den Startschuss für die Staatliche Ingenieurschule Biberach gaben, von 1973 bis 1977 leitete er die Hochschule als Rektor. In einem launigen Bericht beschrieb er, wie der „Bauschule“ Innovationen auf dem Gebiet der Bildung und Ausbildung gelangen, einem Ziel, der sich die HBC nach wie vor verbunden fühle, so Bahr.

Werner Sobek, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Werner Sobek AG
Prof. Dr. Sobek, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Werner Sobek AG

 

Im Anschluss an die Ansprachen und Grußworte trat der Architekt und Bauingenieur Prof. Dr. Werner Sobek, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Werner Sobek AG auf die Bühne, einem Büro für Nachhaltiges Engineering und Design. Präzise und durchaus aufrüttelnd gab er in seinem Impulsvortrag eine Einordnung des menschengemachten Klimawandels und der Notwendigkeit der Bauwirtschaft, für diese Herausforderungen schnelle Lösungen zu finden. „Bauen in einer neuen Welt“ bedeute eine menschliche Heimat zu schaffen und dabei die sozialen Komponenten wie Bevölkerungswachstum, Migrationen und Hungersnöte ebenso zu berücksichtigen wie ökonomische (Verursacherprinzip rückwirkend und aktuell), kulturelle (Bauen als soziale Interaktion oder Teil der Kunst) und technische Komponenten (Energie, Emissionen, Ressourcen).

eine menschliche Heimat zu schaffen und dabei die sozialen Komponenten wie Bevölkerungswachstum, Migrationen und Hungersnöte ebenso zu berücksichtigen wie ökonomische (Verursacherprinzip rückwirkend und aktuell), kulturelle (Bauen als soziale Interaktion oder Teil der Kunst) und technische Komponenten (Energie, Emissionen, Ressourcen).

Wir brauchen Mut, Fortune und Ideen, die auch zugelassen werden

Prof. Dr. Werner Sobek, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Werner Sobek AG

Sobek arbeitete auch heraus, was es braucht, damit die Transformation gelingt: „Mut, Fortune und Ideen, die auch zugelassen werden“. Über die Absolvent*innen der HBC hatte er sich zu Beginn übrigens sehr positiv geäußert: Habe man als Unternehmer eine Bewerbung aus Biberach vorliegen, sei dies stets ein Garant für Qualität.

Die Talkrunden, in denen die Prorektor*innen Heike Frühwirth, Wolfgang Brune und Maik Hornuff anschließenden mit Gästen aus der Hochschule und der Akademie auf die Themen Material, Raum und Future Skills eingingen, zeigten eben dies auf: Welche Ideen und Entwicklungen gibt es am Standort Biberach?

Diskussion zum Thema Material als Ressource
Diskussions-Thema Material

Die Fakultät Bauingenieurwesen und Projektmanagement befasst sich beispielsweise intensiv mit dem Holzbau und der Frage, wie regionales Holz sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden kann und welche Rolle dabei Digitalisierung und insbesondere Robotik spielen. Prof. Patricia Hamm nannte eine Forschungsidee zum Anbau schnellwachsender Holzsorten auf sogenannten Kurzumtriebsplantagen sowie das Verbundprojekt InDeckLe, bei dem es um innovative Deckenkonstruktionen aus Lehmverbund geht.

 

Prof. Hannes Schwarzwälder brachte die Möglichkeiten der Automatisierungstechnik in die Diskussion ein, aber auch die damit verbundene Herausforderung für die eher traditionell geprägte Industrie in Deutschland, einschließlich dem Handwerk, die Gefahr liefen, den Anschluss zu verlieren. Um so wichtiger sei es junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren. „Dafür kann ich mir keinen schöneren Ort als die Hochschule Biberach vorstellen“, sagte der Studiendekan für die Lehreinheiten Bau- und Holzbau-Projektmanagement. Professor Hartmut Grammel aus der Fakultät Biotechnologie zeigte auf, welche Möglichkeiten seine Kolleg*innen und er sehen, um den Ausstoß von Emissionen zu verringern: „Wir gehen einen anderen Weg im Umgang mit der Verwertung von Reststoffen – wir zerlegen und kombinieren neu“. So könnte über biotechnologische Verfahren aus Holzreststoffen, sogenannter Lignocellulose, Zuckermölekühle hergestellt werden, die sich nicht für die menschliche Ernährung eignen, jedoch als erneuerbare Rohstoffe zum Beispiel zur Energiegewinnung einsetzen lassen. „Geben Sie Holz, das nicht mehr gebraucht wird, uns – wir machen etwas daraus“, sagte der Biotechnologe.

Wolfgang Brune ging mit seinen Gästen der Frage nach, welche Rolle die Ressource Raum spielt, wie wir obsolet gewordene Stadtbausteine neu beleben können und wie neue Nutzungskonzepte für städtische Quartiere, zum Beispiel in ehemaligen Büroräumen, Kauf- oder Parkhäusern nachhaltig mit Energie versorgt werden können. Dabei arbeiteten Prof. Julia Siedle (Architektur), Prof. Katrin Schaber (BWL – Energiewirtschaft) und Prof. Volker Wachenfeld (Energie-Ingenieurwesen) heraus, wie die Sanierungsrate von Bestandsgebäuden und der Anteil von lokalen Energieanlagen in den Städten gesteigert werden können. Dezentrale Versorgung benötige Flächen – und der Wechsel zu neuen Siedlungstypen ökonomische Anreize. Wichtig sei zudem die Zuverlässigkeit vieler kleiner Energieversorger; falle ein Baustein aus, könnten die anderen das Netz weiter mit Energie versorgen. Ein gemeinsames Anliegen war der systemische Blick auf räumliche Situationen und die dafür notwenige inter- bzw. transdisziplinäre Zusammenarbeit von Verwaltung, Zivilgesellschaft, Eigentümer*innen und Entwickler*innen. Genau darauf bereite die HBC ihre Studierenden vor.

Talkrunde zum Thema Raum
Diskussion zum Thema Raum

Dazu passte gut die Talkrunde von Maik Hornuff zum Thema Future Skills. Welche Kompetenzen benötigen junge Fachkräfte neben den jeweils fachlichen? Silke Rauber-Reichert (Mitglied im Vorstand der Akademie) sprach von Future Mindset und der Fähigkeit, Herausforderungen anzugehen. Jennifer Blank, Leiterin des Instituts für Bildungstransfer, machte deutlich, wie sich die Arbeitswelt verändert und Berufstätige in die Lage versetzt werden müssen, diesen Wandel zu gestalten. Dafür seien erweiterte Kompetenzen notwendig, die über Formate des Lebenslanges Lernen gewonnen werden können. „Normalbiografien trifft man heute nicht mehr an“, so Blank.

Talkrunde zum Thema Future Skills
Diskussion zum Thema Future Skills

Auch die Rolle von KI und die Frage, ob Roboter über Empathie, also die Fähigkeit, Gefühle anderer Personen zu verstehen und zu teilen, verfügen, wurde gestreift. Prof. Chrystelle Mavoungou, die in der Fakultät Biotechnologie lehrt und der Projektleitung von KI-Teach angehört, nannte als Beispiel künstliche Personen, sogenannte Avatare. Diesen Wesen mit menschlichem Erscheinungsbild würden menschliche Fähigkeiten zugeordnet, über die sie jedoch nur scheinbar und damit „als ob“ verfügen.  In der Zukunft gehe es um die Kombination von virtuellem und physischem Raum.  In dieser Mixed Reality liege eine große Chance, auch für die Hochschule Biberach. Virtuelle Objekte und Informationen können in eine physische Umgebung eingebettet werden, mit denen der Mensch in Echtzeit interagiert. Diese Objektverbundenheit biete große Chancen für eine praxisorientierte Ausbildung, so Manvoungou.

Mit einem Augenzwinkern präsentierte Maik Hornuff zum Anschluss ein KI-Projekt, das im Kontext des Jubiläums auf Initiative der Didaktikbeauftragten der Hochschule, Prof. Henrike Mattheis, entstanden ist: Ein HBC-Song, generiert mittels Künstlicher Intelligenz. Die Veranstalter hatten zunächst die Hochschulmitglieder um ihren persönlichen Satz zur Hochschule und der Akademie gebeten. Daraus wurde mithilfe von KI zunächst ein Songtext generiert und mit diesem wiederum ein KI-Programm gespeist, um den Songtext mit Musik zu hinterlegen. Entstanden ist ein Song, der die Hochschule als Ort der Expertise, der Bildung und der Gemeinschaft beschreibt – und Biberach als kleine Stadt mit oho-Effekt: dem Schützenfest, gegen das die Big Party in München keine Chance hat. Ob der Song über die Jubiläumsveranstaltung hinaus zur Hymne für die Hochschule Biberach gerät? Das bleibt freilich abzuwarten; die Rückmeldungen bei der Veranstaltung waren durchweg positiv und vor allem waren die Gäste überrascht, was KI alles kann.