„Antisemitismus ist ein weit verbreitetes gesellschaftliches Problem sehr vieler Sozietäten. Antisemitische Verschwörungsmythen sind international verbreitet. Dagegen müssen wir alle gemeinsam handeln. Lasst uns helfen, uns zu beraten und Handlungsmöglichkeiten zu erlernen, jedweden Vorurteilsstrukturen früh entgegenzuwirken", so führt Ahmed Gaafar als Politik- und Religionswissenschaftler des Demokratiezentrums BW in das Thema der Vorurteilsstrukturen und deren Bekämpfung bei seinem Vortrag an der Hochschule Biberach im Rahmen der Wochen gegen Rassismus ein. "Die Ursache, geschweige denn eine Schuld, für ein gesellschaftliches Problem darf nicht auf eine bestimmte Gruppe abgeschoben werden. Vorurteile lassen sehr schnell ein Narrativ aufbauen, und prima facie auch bestätigen." Othering sei laut Gafaar nie eine Lösung gewesen und sei kein guter Ratgeber. Stattdessen soll der Ansatz miteinander statt übereinander zu sprechen immer im Fokus stehen.

Zu Beginn des Vortrags erläutert Ahmed Gaafar die Grundstruktur von Vorurteilen: Zunächst stellen Menschen fest, dass sie und andere Merkmale haben. Wir alle sind unterschiedlich. Vorurteilsmechanismen beginnen immer da, wo wir einer Gruppe mit scheinbar gleichen Merkmalen Eigenschaften zuweisen. Dies verschärft sich, wenn Gruppenzugehörigkeit eine gegenseitige Ausschließlichkeit formuliert. „Wir“ sind so und „die Anderen“ sind anders. Mit der oftmals hierarchischen Bewertung der Gruppenzugehörigkeit ist die Vorurteilsstruktur sozial toxisch.

Foto: Ahmed Gafaar vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg (links) und Organisator, sowie Inklusionsbeauftragter der HBC Prof. Wolfgang Brune beim Vortrag an der Hochschule Biberach. ©HBC

Zwei Vortragende in hellem Raum
Zwei Vortragende in hellem Raum

In dieser Struktur ist es wesentlich, dass Narrative persönliche Erfahrung ersetzen. In den meisten Fällen kennen die wenigsten Teilnehmenden der einen Gruppe Teilnehmende einer anderen Gruppe, über die sie sprechen, persönlich, oder sind diesen offen begegnet. Häufig ersetzen Narrative persönlichen Kontakt oder Erfahrungen. Diesen Grundzustand toxischer Vorurteile hat Ahmed Gaafar ausführlich am Beispiel des Antisemitismus aus der Perspektive arabischer Staaten vorgestellt. Er hat genau erläutert, welche Narrative am Leben gehalten werden, um zur immer gleichen Überzeugung über eine Gruppe mit einem bestimmten religiösen Merkmal, hier der Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben, zu kommen. Diese Narrative werden historisch, sozial, weltpolitisch und medial immer wieder bedient und verfestigen sich so in Gesellschaften, die größtenteils kaum Kontakt zu jüdisch gläubigen Mitmenschen hat. Narrative und Verschwörungstheorien sind wesentlicher Bestandteil merkmalsbezogener Vorurteilsstrukturen, die eine offene Gesellschaft, in der gesicherte Grundrechte merkmalsübergreifend gelten, im Grunde gefährden.

Im Anschluss zum Vortrag konnten Erfahrungen unterschiedlicher Art ausgetauscht werden. Die Podiumsdiskussion mit dem Referenten, Frau Friederike Höhndorf (Demokratiezentrum Oberschwaben), Frau Frauke Zimmermann (Familienbeauftragte der HBC), Frau Kübra Atar (Studentin), und Prof. Wolfgang Brune (Inklusionsbeauftragter der HBC) hat die unterschiedlichen Erfahrungen verschiedener Merkmalsgruppen offenlegen können. In einem wertschätzenden Dialog kam es zum Austausch verschiedener Lebenserfahrungen und Eindrücke der Beteiligten. Besonders dankbar waren Berichte der Studierenden Kübra Atar, die als bekleidete Muslima die offensichtliche Divergenz in allen Gruppen immer wieder aktiv überbrücken muss. Diese Erfahrung konnte Frederike Höhndorf aus ihrer sozialen Arbeit bestätigen. Frauke Zimmermann hat aus der Erfahrung ihrer Arbeit darauf verwiesen, wie unser Verhalten sich durch die Erwartung von Divergenz verändert. Wolfgang Brune verweist in der Diskussion auf den kulturellen, sozialen und intellektuellen Mehrwert der direkten Erfahrung von Diversität und Ahmed Gaafar schließt mit der nachdrücklichen Forderung eines stetig offenen, fragenden und wertschätzenden Dialogs miteinander.

Die Jagd nach Sündenböcken ist von allen Jagdarten die Einfachste.

Dwight D. Eisenhower

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