Monatelange Planung, schweißtreibende Vorarbeit und dann vier Wochen nervenzerrendes Finale auf dem Wettbewerbsgelände in Wuppertal: Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Solar Decathlon Europe 21/22 geleistet haben, ist mehr als beeindruckend. Der internationale Studierendenwettbewerb für energieeffiziente Gebäude legte in diesem Jahr den Fokus auf das nachhaltige Leben und Wohnen in der Stadt. Energetische Sanierung, Lückenschluss, Aufstockung – Themen, die in den kommenden Jahren immer wichtiger werden. Beim Finale bauten die 16 Hochschulteams aus zehn Ländern innerhalb von nur wenigen Tagen repräsentative Wohneinheiten ihrer Planungen auf einem Gelände in Wuppertal auf, um sie dann zwei Wochen lang von Fachjury und Publikum bewerten zu lassen. Darunter auch das Team X4S der Hochschule Biberach (HBC). Über zwei Jahre hat das Team sich für das Finale vorbereitet - Motor des interdisziplinären Teams war der Studiengang Energie-Ingenieurwesen mit Projektleiterin Lena Frühschütz und Professor Andreas Gerber als Teamleitung.

„Wir sind etwas holprig in das Finale gestartet“, berichtet Frühschütz, die mittlerweile erschöpft, aber zufrieden zurück in Biberach ist. „Es hat etwas gedauert, bis wir uns auf der Baustelle eingespielt hatten, außerdem gab es Probleme bei der Anlieferung unserer vorgefertigten Teile. Und dann natürlich das Wetter: An einem Tag gab es so ein heftiges Unwetter, dass wir alle aus Sicherheitsgründen vom Gelände mussten, obwohl klar war, dass unser Dach noch nicht vollständig dicht ist. Das war ein furchtbares Gefühl.“ Doch Glück im Unglück: Die sogenannte Demonstration Unit des Biberacher Teams hat keinen schweren Schaden genommen. Andere Teams hatten da mehr zu kämpfen, konnten sich aber auf die Unterstützung der übrigen Wettbewerbsteilnehmer*innen verlassen. „Das hat mich wirklich beeindruckt: Es gab kein Konkurrenzdenken untereinander.

Es war für alle selbstverständlich, dass man anpackt, wenn Hilfe gebraucht wird, egal bei welchem Team“, beschreibt Frühschütz die Atmosphäre während des kräfteraubenden Aufbaus, an dem Studierende der Fachrichtungen Bauingenieurwesen, Holzbau-Projektmanagement, Energie-Ingenieurwesen und Architektur beteiligt waren. Die Projektleiterin hat selbst im Masterstudiengang Energie- und Gebäudesysteme studiert und ist inzwischen im entsprechenden Forschungsinstitut tätig.

Nach der Aufbauphase folgte dann die Bewertung durch die verschiedenen Fachjurys. Während der sogenannten Monitoringphase wurden die Wohneinheiten dem Praxistest unterzogen. Wie viel Strom liefert die Solaranlage, die über den Dachgarten der Biberacher Wohneinheit gespannt war? Wie gut ist die Luftqualität an einem heißen Sommertag? Was passiert, wenn Spül- und Waschmaschine gleichzeitig laufen? Zusätzlich zu diesen Messungen stellten die Jurys jeden Tag Fragen zu verschiedenen Themenkomplexen.

Team mit Bauhhelmen und Warnwesten beim Hausaufbau
Team mit Bauhhelmen und Warnwesten beim Hausaufbau

„Die Besuche waren schon immer recht herausfordernd“, gesteht Frühschütz.

Wir hatten 20 Minuten Zeit, um unser Konzept zu dem jeweiligen Schwerpunkt zu erläutern und Fragen zu beantworten.

Lena Frühschütz, Projektleiterin

Neben der Jury konnte sich aber auch die breite Öffentlichkeit ein Bild von den Wohneinheiten machen. „Diese Besuche haben uns sehr motiviert und gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dabei sind oft sehr gute und konstruktive Gespräche entstanden“, erzählt Architektin Marie-Lise Hofstetter, die im Team vor allem für den Bereich Kommunikation zuständig war. Auch sie ist Absolventin der Hochschule Biberach und kam nach einem weiterführenden Masterstudium für das Projekt Solar Decathlon an die HBC als wissenschaftliche Mitarbeiterin zurück.

Küche aus viel Holz
Küche aus viel Holz

Professor Andreas Gerber aus dem Studiengang Energieingenieurwesen ergänzt: „Viele haben gesagt, dass sie hier sofort einziehen würden. Und genau das wollten wir ja erreichen: Eine Wohnung, in der sich die Bewohnerinnen und Bewohner wohlfühlen. Nur, wenn diese selbst Verantwortung übernehmen und Sorge für das Gebäude tragen, kann es auch langfristig Bestand haben." Über 115.000 internationale Besucherinnen und Besucher haben den Weg zum Solar Campus gefunden und die Werke der Studierenden unter die Lupe genommen. Oft kam dabei die Frage auf, wie das eigene Haus auf die Energiewende vorbereitet werden kann.

Foto: Hell, gemütlich und viel Holz: So sieht die Küche der Demonstration Unit des Team X4S aus.

Insgesamt zehn Disziplinen wurden von der Jury bewertet, dazu kamen noch einige Sonderpreise. Am Ende siegte das Team RoofKIT aus Karlsruhe vor VIRTUe aus Eindhoven, Aura aus Grenoble und SUM von der Delft University of Technology. Doch nach mehr als zwei Jahren Wettbewerb sind diese Ergebnisse fast schon Nebensache. „Ich habe wahnsinnig viel von anderen gelernt, besonders was die interdisziplinäre Zusammenarbeit angeht“, so Hofstetter. Auch das Fazit von Frühschütz fällt positiv aus: „Ich habe gerade während des Finales meine eigene Grenze der Belastbarkeit ganz neu kennengelernt. Die Arbeit in unserem Team und auch mit den anderen Teams hat mich unheimlich motiviert und mir gezeigt, dass ich für mich die richtige Richtung mit meinem Studium eingeschlagen habe.“

Beide sind sich einig: Um das Erlebte zu verarbeiten und wieder in den Alltag zurückzufinden, braucht es einige Tage Urlaub. Danach geht es darum, das Gebäude für die zukünftige Nutzung vorzubereiten. Schließlich soll die Demonstration Unit auch künftig noch für Forschungszwecke genutzt werden und nicht nur Studierenden der HBC zeigen, was mit Teamgeist und Herzblut möglich ist. In drei Jahren, wenn der Solar Decathlon Europe erneut ausgerufen wird, will die HBC wieder dabei sein.


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