Die Schussen durchquert auf ihrem etwa 60 Kilometer langen Weg die drei Landkreise Biberach, Ravensburg und den Bodenseekreis und mündet bei Eriskirch in den Bodensee. Auf den letzten 17,5 Kilometern vor ihrer Mündung ins schwäbische Meer nimmt die Schussen etwa 20 Zuflüsse auf. Um den Zustand der Gewässer im Verbandsgebiet zu analysieren, beauftragte der Abwasserverband Unteres Schussental (AUS) ein umfassendes gewässerökologisches Gutachten, das 2020 abgeschlossen wurde. Das Ergebnis: Um die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie für die Oberflächengewässer im Einzugsgebiet der Schussen im Bodenseekreis zu erreichen, sind u.a. ingenieurtechnische Maßnahmen notwendig. Für die wissenschaftliche Konzeption dieser Maßnahmen erhält der Verband Unterstützung von der Hochschule Biberach (HBC). Professorin Dr.-Ing. Ulrike Zettl erarbeitet gemeinsam mit ihrem Team des Instituts für Geo und Umwelt (IGU), wie die Wasserqualität mithilfe der Nutzung von Aktivkohle verbessert werden kann. Entwickelt wird ein Retentionsbodenfilter, der Spurenstoffe gezielt entfernen kann.

„Ein erheblicher Anteil schlechter Wasserqualität ist auf die Siedlungsentwässerung zurückzuführen. Bei trockenem Wetter wird sämtliches Abwasser zur Kläranlage abgeleitet und dort gereinigt. Bei Regen hingegen gelangt ein Teil der Siedlungsabflüsse direkt in die Gewässer“, erklärt Prof. Zettl. Um die Belastung von Gewässern zu reduzieren, werden Speicherbecken errichtet, dadurch werden Schmutz- und Regenwasser seltener und in geringerem Umfang in die Gewässer entlastet. Trotzdem reiche das nicht aus, weshalb Bodenfilter eingesetzt werden.

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Durch die Bodenpassage werden Feststoffe zurückgehalten und es zeigt sich eine biologische Reinigungswirkung. Jedoch bleiben problematische Stoffe, insbesondere wasserlösliche und schwer abbaubare Mikroschadstoffe, die sich nicht an Feststoffe binden, weiterhin im Wasser und gelangen in die Gewässer. Diese Problematik ist auch im Einzugsgebiet der Schussen zu beobachten. Das Team der HBC untersucht deshalb den dort bereits eingesetzten, konventionellen Bodenfilter und möchte diesen weiterentwickeln.

Wie kann die zusätzliche Spurenstoffelimination in einem konventionellen Bodenfilter integriert werden? Wie hoch ist die Eliminationsleistung und wie lange hält diese an? Wie oft und zu wieviel Prozent kann die Filterfunktion regeneriert werden? Was ist beim Betrieb der Anlagen und am Ende des Filterlebenszyklus zu beachten? Fragen, vor denen Prof. Zettl und ihre Mitarbeiterin Birgit Kornmann derzeit stehen. Unterstützung erhalten sie dabei auch von Studierenden, „die in wissenschaftlichen Arbeiten bereits verschiedene Aufgabenstellungen zum Thema erfolgreich bearbeitet haben“, so Prof. Zettl. Zudem solle das Forschungsprojekt zukünftig auch in die Lehre einfließen – und das nicht nur im Bereich Bauingenieurwesen. Auch die Fakultät Biotechnologie ist in die Untersuchungen eingebunden, denn die Siedlungswasserwirtschaft, besonders die Abwasserbehandlung, weist eine enge Verbindung zur Verfahrenstechnik auf. Daher existiere an der HBC bereits ein fakultätsübergreifender, fachlicher Austausch. Das Institut for Applied Biotechnology (IAB, Professorin Dr. Chrystelle Mavoungou und Tim Hamann) der Hochschule stellt Messgeräte für die Spurenstoffanalytik bereit und ist an der Optimierung und ggfs. der Erweiterung der Screeningverfahren beteiligt. Die AG von Prof. Mavoungou war bereits zu Beginn des Projekts in die Gewässeruntersuchungen eingebunden. „Alle Beteiligten setzen sich nachdrücklich für eine Verbesserung der Gewässergüte und des Umweltschutzes ein. Wir freuen uns umso mehr auf die hochschulinterne Zusammenarbeit und den Austausch mit allen anderen Expert*innen in unserem Projektteam“, äußert sich Prof. Zettl über die Kooperation.

Neben den Expert*innen der Hochschule Biberach sind noch weitere Partner*innen an der Entwicklung des Bodenfilters beteiligt. Kern ist die Zusammenarbeit mit Fachleuten, die lokale Kenntnisse zum Entwässerungssystem des Abwasserverbands (Wasser-Müller Ingenieurbüro GmbH in Biberach) und dem Gewässer haben (Büro Gewässerplan in Kressbronn a.B.) sowie große Erfahrung mit der Anwendung von granulierter Aktivkohle in der Abwasserbehandlung mitbringen (Ingenieurbüro Jedele und Partner in Wangen i. Allgäu ). Ebenso ist die Einbindung der Wasserwirtschaftsbehörde (Landratsamt Bodenseekreis) und des Betriebspersonals vor Ort (Abwasserverband Unteres Schussental) für die Projektbeteiligten von großer Bedeutung.

Zudem ist das Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg (KomS BW)  der Universität Stuttgart involviert, um das Forschungsteam bei der Beprobung und der Spurenstoffanalytik zu unterstützen, genauso wie das Lehr- und Forschungslabor des Instituts für Siedlungswasserbau Wassergüte und Abfallwirtschaft (ISWA, Universität Stuttgart).

Die Forschungsergebnisse erwecken bereits jetzt großes Interesse bei dem Regierungspräsidium Tübingen sowie dem Umweltministerium Baden-Württemberg. Denn Ziel des Projekts ist es, dass landesweit weitere Bodenfilter errichtet werden, die von den untersuchten Spurenstoffeliminationsmethoden der Hochschule Biberach profitieren können.

Bild eines Retentionsbodenfilters
Bild eines Retentionsbodenfilters
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