Es müssen nicht immer Beton oder Holz sein. Auch das Stroh ist ein Baustoff, für dessen Anwendung viele Gründe sprechen. Das älteste Haus Europas, das aus tragenden Strohballen errichtet wurde, steht schon seit mehr als einhundert Jahren in Frankreich. Tragende oder ausgefachte Strohballenwände entsprechen nicht nur den modernen Brandschutzanforderungen, sie haben darüber hinaus Passivhausqualitäten. „Der vielleicht größte Vorteil liegt, aus ökologischer Sicht, aber in der Ressourcenverfügbarkeit“, sagt Prof. Dr. Jan Grossarth-Maticek, der an der Hochschule Biberach (HBC) Bioökonomie und Ressourcen lehrt. Stroh gebe es im Überfluss, es wachse in Europa nahezu überall. Und weil es ein Nebenprodukt des Getreides ist, falle der Klima-Fußabdruck auch im Vergleich zum Holz besonders gering aus. Schließlich: „Wird ein Strohhaus irgendwann rückgebaut, eignen sich die Relikte als Dünger für den Acker“.
Das Beispiel ist eines aus dem gerade erschienenen Buch des Biberacher Professors Jan Grossarth. Es heißt „Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen. Eine Einführung“ und ist in diesen Tagen als E-Book und auch als gedrucktes Buch im Verlag Springer Vieweg erschienen (https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-40198-6).
Im Buch geht es aber nur am Rande um Stroh. Es ist ein Kompendium vieler verschiedener bioökonomischer und zirkulärer Ansätze des Bauens. Ebenso kommen biotechnologische Innovationen wie Fett fressende Bakterien vor, die genverändert sind und hoch effizient Polymere erzeugen. Daneben stehen historische Rückblicke auf den schonenden Rückbau von Hochhäusern im New York der Vorkriegszeit.
Was ist also die Bioökonomie des Bauens? Sie versteht sich als eine Lehnwissenschaft, an der diverse Ansätze der Ressourcenschonung Berücksichtigung finden. „Die zirkuläre Bioökonomie im Bauwesen bedeutet im Kern eine konsequente Ausrichtung der Planung und Realisierung auf die Stoffschicksale der verwendeten Materialien“, schreibt Grossarth darin. „Biologische Kreisläufe können eine Inspiration für die schonende Ressourcenführung sein.“ Eine große Rolle spiele der langfristige Erhalt von Baustoffen. Häuser würden viel zu schnell und leichtfertig abgerissen, meint der Autor. Das Buch solle seinen Leserinnen und Lesern auch das teilweise sehr große Lücke zwischen technisch möglichen und realen Lebensdauern von Bauwerken und Materialien vor Augen führen.
Grossarths Buch ist das erste wissenschaftliche Buch, das den Ansatz der zirkulären Bioökonomie systematisch mit dem Bauwesen verbindet. Das Ziel einer zirkulärer Bioökonomie ist auch der Kern der Industriestrategie der Europäischen Union, dem „European Green Deal“. Die zirkuläre Bioökonomie als ein Ansatz der Ressourcenschonung ist auch seit mehreren Jahren in der Lehre im Bauingenieurwesen und in der Architektur der Hochschule Biberach etabliert.
Zwischen geschichtlicher Inspiration und biotechnologischer Innovation
Der Ansatz der Zirkulärwirtschaft fokussiert auf Frage, wie die Stoffe nach dem Abbruch des Bauwerks wieder in den Kreislauf der Nährstoffe zurückgeführt werden können. Mineralische oder metallische Baustoffe wie Beton, Kalksandstein oder Baustahl sollten hingegen auf Sortenreinheit, Trennbarkeit und einfache Wiederverwendbarkeit konzipiert sein. Der wissenschaftliche Vordenker solcher Ideen des „Cradle to Cradle“, Michael Braungart, hat ein Vorwort für das neue Buch beigesteuert.
Das Buch versammelt innovative Ideen aus der Bauwelt, der Architektur oder dem Ressourcen- und Abfallmanagement im Lichte von Ressourcenknappheiten und politischen Klimazielen. Von bestehenden Überblickswerken zur Bioökonomie unterscheidet es sich nicht nur durch den besonderen Fokus auf das Bauwesen. „Ich habe immer wieder Ausflüge in die Bau- oder Umweltgeschichte gemacht“, sagt Grossarth, „und mir war außerdem die konsequente Verbindung mit den landwirtschaftlichen Rohstoffen und den Fragen der Flächenkonkurrenzen mit dem Nahrungsmittelanbau wichtig.“
Die einzelnen Kapitel des 424 Seiten starken Buches handeln etwa von Lebenszyklusbilanzen, Bioharzen, dem 3-D-Holzdruck, aber auch von der politischen und Ideengeschichte der Bioökonomie. In Form von Interviews kommen auch die Biberacher Professoren Hannes Schwarzwälder, Gerhard Haimerl, Jörg Hauptmann, Daniel Rubin, Dimitrios Toris oder Rainer Weitschies zu Wort, die in den Fakultäten Bauingenieurwesen und Projektmanagement sowie Architektur und Energie-Ingenieurwesen lehren. Bioökonomie ist auch ein Inhalt im neuen Master-Studiengang der Biberacher Architekturfakultät. Er hat den Namen „Ressourcenschonende Architektur“. Dort lehrt Jan Grossarth seit dem Sommer 2023 als Professor für Bioökonomie und Ressourcen. Das Buch ist in der Bibliothek der HBC verfügbar.
Buch von Jan Grossarth-Maticek
„Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen. Eine Einführung“ ist als E-Book und auch als gedrucktes Buch im Verlag Springer Vieweg erschienen. Das Buch ist auch in der HBC-Bibliothek verfügbar. (https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-40198-6).
Die einzelnen Kapitel des 424 Seiten starken Buches handeln etwa von Lebenszyklusbilanzen, Bioharzen, dem 3-D-Holzdruck, aber auch von der politischen und Ideengeschichte der Bioökonomie. In Form von Interviews kommen auch die Biberacher Professoren Hannes Schwarzwälder, Gerhard Haimerl, Jörg Hauptmann, Daniel Rubin, Dimitrios Toris oder Rainer Weitschies zu Wort, die in den Fakultäten Bauingenieurwesen und Projektmanagement sowie Architektur und Energie-Ingenieurwesen lehren.