Wie breitet sich das Corona-Virus durch ausgeatmete Luft im Raum aus? Wie lange überleben die Viren in der Luft? Welche Konzentration an virenbeladenen Aerosolen ist vor allem in geschlossenen Räumen kritisch? Und welche Maßnahmen können der Kontamination im Raum entgegengesetzt werden? Fragen wie diesen soll ein neuer „Expertenkreis Aerosole“ nachgehen, den das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) jetzt einberufen hat. In die Lenkungsgruppe „SARS-CoV-2 (Coronavirus) wurde u. a. Professor Dr.-Ing. Michael Haibel, Professor für Lüftungs- und Klimatechnik, Thermodynamik und Baubiologie an der Hochschule Biberach (HBC) berufen.
„Zur Virusübertragung durch Aerosole müssen wir möglichst rasch mehr wissen. Die Wissenschaft kann uns helfen, weiter gut durch die Pandemie zu kommen“, wird Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am Donnerstag (8. Oktober) in einer Pressemitteilung des MWK zitiert. Aerosolausbreitung an sich sei in vielen Bereichen schon lange ein Thema. „Die Verknüpfung mit der SARS-CoV-2 Ausbreitung aber ist Neuland“, so Bauer. Entsprechend lägen aktuell eher Schätzungen und vorläufige Erkenntnisse zu den verschiedensten Facetten dieses Themas vor.
Erschwerend komme hinzu, dass hier mehrere Fachgebiete in der Beurteilung betroffen sind. Dementsprechend werde der „Expertenkreis Aerosole“ eine Vielzahl an Fachrichtungen abdecken. Der Expertenkreis soll verschiedene Schutzmaßnahmen – oder deren Kombinationen – hinsichtlich des Infektionsschutzes unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse neu bewerten; bereits am kommenden Donnerstag (15. 10.2020) kommen die WissenschaftlerInnen erstmals in dem Expertenkreis zusammen.
Professor Haibel, der in den Studiengängen Energie-Ingenieurwesen und Gebäude- und Energiesysteme der HBC lehrt, bringt insbesondere seine Erfahrung in der praktischen Anwendung von Lüftung- und Klimatechnik in das Gremium ein. Bereits bei der SARS-Epidemie Anfang der 2000er Jahre war er ein gefragter Experte für Hygiene in raumlufttechnischen Anlagen und Systemen. „Schon seit jeher“, so Haibel, „kennen wir den Zusammenhang von Lüften und Hygiene“. Auch in der aktuellen Krise müsse zunächst geklärt werden, welches Lüftungsverhalten am effektivsten gegen Covid 19 wirkt. „Bevor der Winter richtig beginnt, sollte beispierlsweise jede Lehrkraft einen Leitfaden an die Hand bekommen“, so Haibel. Verbunden sei diese Analyse mit der Frage nach der passenden technischen Unterstützung. Umluftgeräte bespielsweise würden häufig mit störenden Geräuschen einhergehen; für die Anwendung zum Beispiel im Unterricht seien sie deshalb eher schwierig einsetzbar, so Haibel.
Als vielversprechend bewertet er die interdisziplinäre Zusammenarbeit des Gremiums, dem weitere zehn ExpertInnen angehören, beispielsweise aus den Disziplinen Krankenhaushygiene, Virologie und Epidemiologie, Infektiologie, Verfahrenstechnik, Thermodynamik und Strömungslehre sowie Raumklima.
Der „Expertenkreis Aerosole“ wird laut MWK zunächst aus allen Fachbereichen die aktuellen Informationen zusammentragen, offene Fragen identifizieren und Infektionsrisiken wissenschaftlich abschätzen. Anschließend können derzeitige Schutzkonzepte und deren Kombinationen bewertet und Empfehlungen ausgesprochen werden. „Für die Eindämmung der Pandemie ist die Reduktion von Aerosolen in Räumen entscheiden“, so der Biberacher Experte. Dafür sei eine „offensive Diskussion über das Be- und Entlüften von öffentlichen Räumen wie Schulen, Büros oder Praxen notwendig“.
Der regionale Fernsehsender RegioTV hat einen Videobeitrag über Professor Haibel an der Hochschule Biberach gedreht:
Wissenschaftler des Expertenkreises
Bildhinweis: HBC/Stefan Sättele