


Professor Dr.-Ing Roland Koenigsdorff lehrt in den Studiengängen Energie-Ingenieurwesen sowie Gebäude- und Energiesysteme der Hochschule Biberach. Zudem forscht er in den Bereichen Simulationstechnik, Energiekonzepte und Geothermie und befasst sich mit den Chancen der Wärmewende.
Seit über zwei Jahrzehnten lehre und forsche ich mit Begeisterung an der Hochschule Biberach, zuvor war ich als Wissenschaftler sowie als Ingenieur für energieeffizientes Bauen in der Praxis tätig. Die Diskussionen um den menschengemachten Klimawandel und die Lösungsansätze (die es gibt!) verfolge ich mit Erstaunen und Sorge. Natürlich: Wir leben gegenwärtig in einer in mehrerlei Hinsicht aufgeheizten Atmosphäre. Regierungskrise und Neuwahlen, Kriege und Flüchtlingsströme, Wirtschaftskrise und schließlich: Artensterben und Klimakrise. 2024 wird wohl das global wärmste Jahr seit Beginn der Industrialisierung werden, in wenigen Wochen werden wir es definitiv wissen. Dennoch gibt es Stimmen, die diese Fakten anzweifeln und fragen, wie weit oder ob überhaupt wir uns Klimaschutz leisten können. Das Thema Heizen ist dabei zum Gegenstand einer heftigen und emotional geführten Debatte geworden. Aber: Physik schert sich nicht um Stimmungen, und man entkommt ihr nicht.
Man kann den Klimawandel ignorieren oder sogar leugnen, er findet trotzdem statt. Über 95 Prozent der Klimawissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass wir Menschen entscheidenden Anteil daran haben. Angesichts des komplexen Klimasystems Erde ist dies also nach menschlichen Maßstäben sicher. Ebenso sicher ist damit, dass wir die Situation nicht nur negativ, sondern auch positiv beeinflussen können. Auch wird der Aufwand zur Begrenzung des Klimawandels deutlicher geringer sein als die ansonsten zu erwartenden Kosten, Schäden und das Ausmaß an menschlichem Leid.
Die Frage ist, wie wir dem Klimawandel am besten und – auch für uns selbst – am verträglichsten entgegenwirken. Hier kann die Wissenschaft einerseits mithelfen, Lösungen und Technologien zu entwickeln und andererseits zur Versachlichung der Debatte beitragen. Wissenschaftlich belegte Sachinformationen ersetzen zwar keine politischen Diskussionen und demokratische Entscheidungsprozesse, sind aber in der heutigen hochvernetzten Welt unverzichtbare Basis.
Beispiel Gebäudebeheizung: Wärmepumpen benötigen Strom als Antriebsenergie und sind deutlich teurer in der Anschaffung als Gaskessel. Auch ist es technisch möglich, Heizkessel so zu bauen, dass sie z. B. mit Wasserstoff betrieben werden können. Die Erzeugung von sogenanntem grünem Wasserstoff geschieht meist über Elektrolyse d. h. ebenfalls mit Strom. In beiden Fällen möchte man natürlich Strom aus erneuerbaren und klimaschonenden Energiequellen wie Sonne, Wind, Biomasse usw. einsetzen. Bei der Herstellung von Wasserstoff gehen jedoch ca. 30 Prozent der eingesetzten Energie verloren, es bleiben etwa 70 % zum Heizen. Wärmepumpen dagegen liefern im Durchschnitt mehr als dreimal so viel Wärme wie sie an Strom benötigen, es entstehen mindestens 300 % Heizenergie. Sie benötigen weniger als ein Viertel des Stroms wie das Heizen mit aus Strom erzeugtem Wasserstoff. Wärmepumpen sind also nichts per se ideologiegetriebenes, sondern es gibt starke Sachargumente dafür, die in den meisten Fällen die Gegenargumente überwiegen.
Weiterhin arbeiten Wärmepumpen umso effizienter, je wärmer die Quelle ist, aus der sie Umgebungswärme schöpfen. Grundwasser, Erdwärme, Abwasser und industrielle Abwärme sind damit Alternativen zur traditionellen Wärmequelle Außenluft, die naturgemäß im Winter am kältesten ist. Am Institut für Gebäude- und Energiesysteme der Hochschule Biberach arbeiten seit wir über zwei Jahrzehnten an der künftigen Energieversorgung von Gebäuden und Quartieren mit Geothermie, modernen Wärmenetzen und Wärmepumpen. Dies geschieht in Forschungsprojekten sowie in projekt- und praxisbezogenen Lehrveranstaltungen mit unseren Studierenden.
Wie Wissens- und Technologietransfer gelingen kann, zeigen wir an der HBC jeden Tag, etwa in regionalen Aktivitäten wie der für das kommende Jahr geplanten Gründung einer „Geothermie-Initiative Oberschwaben“ der Städte Ravensburg, Weingarten, Biberach und weiterer Kommunen aus der Region. Dort hat man die Zeichen erkannt und bündelt die Kräfte. Die Wärmewende kann so zu einem echten Wirtschaftsmotor der Zukunft werden – lokal, regional und auch mit innovativen Technologien für den Export.
In jeder Krise liegt eine Chance. Auch und gerade für die nächste Generation.