Zum Ende des Sommersemesters lädt das Orchester der Hochschule Biberach (HBC) zum Werkstattkonzert ein – wie gehabt in dem besonderen Zusammenspiel von Musik und einem Auftritt von Playmobil-Figuren, mit Hilfe derer das Stück – zur Aufführung kommt die Musik zum Roman „The Gadfly“ (Die Stechfliege, 1897, USA) – auf unterhaltsame und gleichermaßen verblüffende Weise in die Jetztzeit geholt wird. Gleichzeitig ist die Aufführung ein Novum, denn das Stück wurde bislang – sieht man von einer Demonstrationsaufführung zur Wahrung des Copyrights ab – noch nie aufgeführt.

Hochschulorchester
Hochschulorchester

Unter der Leitung von Professor Klaus K. Weigele haben die Musiker*innen das Stück in den letzten Wochen erarbeitet, am Donnerstag, 29. Juni präsentieren sie gemeinsam mit dem Münchner Dramaturg und Autor Michael Sommer in der Aula am Campus Stadt das Ergebnis (18.30 Uhr).

Zum Hintergrund

The Gadfly zählt zu den bekanntesten Werken der englischen Schriftstellerin Ethel Lilian Voynich (1864 bis 1960), der Tochter des berühmten Mathematikers George Boole. Sie wuchs in eher ärmlichen Verhältnissen auf, konnte aber dennoch Klavier und Komposition an der Hochschule für Musik in Berlin studieren. In der Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs begegnete sie russischen Anarchisten, begeisterte sich für die Sache der Revolution und lernte Russisch. Die anarchistische Debatte um die erlaubten Mittel, einerseits Propaganda der Tat, andererseits gewaltfreies Vorgehen, finden sich auch im Roman Gadfly wieder, allerdings zeitlich und örtlich in die Zeit des jungen Risorgimento in Italien verschoben, einer Bewegung für die Freiheit und nationale Unabhängigkeit (1815 – 1870). Erzählt wird die Geschichte eines italienischen Freiheitshelden, der sein Vaterland vor österreichischer Tyrannei verteidigt und schließlich den Heldentod stirbt

In der westlichen Welt geriet der Roman bald in Vergessenheit, in Russland dagegen wurde das Melodram zum Bestseller. 1898 ließ die Autorin den Roman dramatisieren. Georg Bernard Shaw gelang eine farbenfrohe und zeitlich verdichtete Fassung. Dafür setzte der Dramaturg in der Mitte des Romas an und schilderte die Vorgeschichte als Rückblende Form eines Konversationsstückes.

1955 schließlich entsteht in der Bearbeitung von Dmitri Shostakovich die Filmmusik dazu. Der russische Komponist, Pianist und Pädagoge übergab die Komposition an Levon Atovmyan (1901 – 1973), der daraus eine Suite für den Konzertgebrauch erstellte. So entstand eine 12-sätzige Konzertsuite, die im Shostakovich-Werkverzeichnis als op. 97a geführt wird. Die Suite verlässt zwar die Chronologie der Filmmusik, lässt aber das musikalische Material nahezu vollständig aufscheinen. Die Instrumentierung jedoch verändert Atovmyan, so fallen Orgel, Mandolinen und Gitarren heraus, das Werk ist in dieser Form für ein Symphonieorchester geeignet.

Die Orchestersuite ist leicht zugänglich und hebt sich mit ihren betont romantischen und kraftvollen Themen, der effektvollen Orchestrierung und der offenen Formsprache deutlich von den komplexeren und nur mit größerer Anstrengung erschließbaren Werken Shostakovichs ab, deren Ausdruck häufig eher kühl und grüblerisch erscheint und das von tiefem Ernst getragene Schaffen des Komponisten offenbart.

In dem Werkstattkonzert der Hochschule Biberach erwartet das Publikum zweierlei: Zum einen die Präsentation eines bislang nicht auf die Bühne gebrachten Stückes von G.B. Shaw in der Version einer Playmobil-Figuren geprägten Aufführung, zum anderen die extra für den Abend entworfene adäquate Kombination der Gadfly-Suite mit dem Stück.

 

Die Werkstattaufführung ist öffentlich bei freiem Eintritt, eine Anmeldung ist nicht notwendig. Musikinteressierte sind herzlich eingeladen.