Vor welchen Herausforderungen steht die Energiewirtschaft – und welche Möglichkeiten bietet die Branche für die eigene berufliche Karriere? Darüber haben wir mit Dr. Alice Boldis, LL.M.(Voith Group - links im Bild) und Simone Ruf (ewa-riss - rechts im Bild) gesprochen, die im BWL-Schwerpunkt Energiewirtschaft der Hochschule Biberach als Dozentinnen lehren und spannende Einblicke in die Praxis geben. (Fotos: privat)
Was fasziniert Sie persönlich an der Energiewirtschaft?
Simone Ruf: Energie spielt in meinem Leben schon immer eine Rolle, denn mein Vater ist Elektromeister und war als Projektierer bei einem großen Energienetz tätig. Das Thema hat mich schon als Kind fasziniert – und das hat sich bis heute nicht geändert. Denn die Energiewirtschaft ist von fundamentaler Bedeutung für die modern Gesellschaft. Der Energiebedarf wird sich durch Zukunftstechnologien wie KI oder Dekarbonisierung der Wirtschaft weiter ansteigen. Deshalb ist Energie und insbesondere grüne Energie der Schlüssel für eine ökologisch tragfähige Zukunft mit neuen Technologien.
Alice Boldis: Diese Relevanz für die Zukunft der Gesellschaft ist verbunden mit einer hohen (entwicklungs-)technischen Komplexität sowie interdisziplinärer und internationaler Zusammenarbeit. Das finde ich sehr spannend – und fasziniert mich seit meiner Schulzeit. Jungen Menschen bietet die Energiewirtschaft entsprechend vielfältige Karrieremöglichkeiten.
Welche Interessen und Talente sollte man für diese Branche mitbringen?
Simone Ruf: Gerade, weil das Arbeitsgebiet so vielfältig ist, können unterschiedliche Interessen dienlich sein, zum Beispiel im technischen, naturwissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bereich. Gebraucht wird ein analytisches Denken und wer einen aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten will, ist in der Energiewirtschaft goldrichtig.
Welche Funktionen haben Sie in Ihrem Unternehmen?
Alice Boldis: Mein Schwerpunkt liegt in der Entwicklung und Umsetzung globaler Prozesse für Vertrags- und Claim Management und aktuell in diesem Zusammenhang auf der Einführung und strategischen Steuerung von Legal AI-Tools. Zudem verantworte ich die Überarbeitung und Weiterentwicklung unseres Compliance Management Systems.
Simone Ruf: Ich bin als Portfoliomanagerin in der Energiebeschaffung tätig. Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung und Umsetzung von Beschaffungsstrategien zur Optimierung von Kosten und Risiken, die Auswahl und Bewertung von Energieversorgern und Handelspartnern. Auch erstelle ich Berichte, Forecasts und Entscheidungsvorlagen und analysiere von Preisentwicklungen, Markttrends und politischen Rahmenbedingungen.
Welches Studium haben Sie selbst absolviert?
Simone Ruf: Ich habe an der DHBW BWL mit der Fachrichtung Handel bereits beim Energieversorger studiert und hatte somit starken Praxisbezug, was den Einstieg ins Berufsleben deutlich vereinfacht. Die technischen Grundlagen habe ich on-the-job erlernt. Das ist ein großer Vorteil des Studiengangs Energiewirtschaft, der die Grundlagen hierfür bereits mitbringt.
Alice Boldis: Ich habe zunächst Jura mit Schwerpunkt internationales Recht in München studiert. Mein Masterstudium führte mich nach Edinburgh und in den Bereich internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Anschließend folgte die Promotion im internationalen Investitionsschutzrecht. Der Fokus auf den Anlagenbau und die Energiewirtschaft kam erst durch die berufliche Praxis mit meiner Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei mit Schwerpunkt in der Projektberatung. Ich würde mich wieder für ein Jurastudium entscheiden, empfehle aber frühzeitig über Praxisphasen herauszufinden, wo das tatsächliche Interesse liegt.
Wie profitieren die Studierenden von Ihrer beruflichen Erfahrung?
Alice Boldis: Theorie ist die Basis für die weitere Karriere. Jedoch lernt man die Praxis erst durch den Beruf wirklich kennen.
Simone Ruf: Wir geben den Studierenden Einblicke in aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Trends der Branche, die über das Lehrbuchwissen hinausgehen und sicherlich sehr wertvoll sind.
Vor welchen aktuellen Herausforderungen steht die Energiewirtschaft?
Alice Boldis: Digitalisierung und insbesondere die Einbindung von Künstlicher Intelligenz in den beruflichen Arbeitsalltag stehen aktuell ganz oben auf der Agenda. Mit dieser Transformation verbunden ist natürlich das Change-Management im Unternehmen und in den jeweiligen Bereichen.
Simone Ruf: Auch bei uns steht die Digitalisierung im Vordergrund, als traditionell aufgestelltes Stadtwerk mit dem Hintergrund der regulatorischen Anforderungen. Auch die wirtschaftliche Integration der Erneuerbaren Energien beschäftigt uns stark. Nur „nachhaltig“ reicht eben nicht aus, es muss ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept auf die Beine gestellt werden. Dabei muss die politische und regulatorische Landschaft berücksichtigt werden, die sich sehr dynamisch verändert.
Was zeichnet den Studiengang Energiewirtschaft an der HBC aus?
Simone Ruf: Besonders wichtig finde ich die enge Vernetzung mit Unternehmen der Energiebranche und damit die Verzahnung mit der Praxis. Gleichzeitig bieten die Professor*innen Fallstudien, Projektabreiten und reale Unternehmensplanspiele an, das bereitet die Absolvent*innen sehr gut auf den Beruf vor.
Alice Boldis: Mir gefällt darüber hinaus die individuelle Betreuung, die in den kleinen Studiengruppen möglich ist. Das fördert die fachliche wie persönliche Entwicklung der künftigen Fachkräfte.
Welche Berufsfelder und Karrieremöglichkeiten stehen Absolvent*innen offen?
Alice Boldis: Es ist ja bereits deutlich geworden: Die Karrieremöglichkeiten in der Energiewirtschaft sind sehr vielfältig. Die Absolvent*innen der Energiewirtschaft können in Energieversorgungsunternehmen oder Beratungsunternehmen gehen, finden Perspektiven in der Industrie, aber auch in der Öffentliche Verwaltung oder Politik. Auch das dynamische Feld der Startups bietet spannende Möglichkeiten.
Simone Ruf: Die Biberacher Absolvent*innen haben vielfältige berufliche Optionen. In der Energiewirtschaft werden sie für Projektleitung, Nachhaltigkeitsmanagement, Business Development, das Entwickeln von Geschäftsstrategien sowie Consulting gesucht, wo Strategien entwickelt, Lösungen gefunden und Prozesse optimiert werden.