Orchester und PLAYMOBIL-Ensemble bringen Michael Beers Drama „Struensee“ mit der Bühnenmusik Giacomo Meyerbeers auf die Bühne.

Zum Ende des Wintersemesters lädt das Orchester der Hochschule Biberach (HBC) zum Werkstattkonzert der besonderen Art ein. Diesmal bleibt alles in der Familie: Der berühmte Komponist Giacomo Meyerbeer hatte einen leider viel zu früh verstorbenen Bruder namens Michael Beer, der 1828 sein Historiendrama „Struensee“ veröffentlichte. Meyerbeer komponierte die Schauspielmusik zum Theaterstück seines Bruders, das heutzutage weitgehend unbekannt ist. Mit Hilfe des größten PLAYMOBIL-Ensembles der Welt bringen wir nun die dramatische Geschichte um den Fall des deutschen Aufklärers am dänischen Hof zur Aufführung. Unter der Leitung von Professor Klaus K. Weigele haben die Musiker*innen das Stück in den letzten Wochen erarbeitet, am Mittwoch, 17. Januar 2024 präsentieren sie gemeinsam mit dem Münchner Dramaturgen und Autor Michael Sommer in der Aula am Campus Stadt das Ergebnis (19.00 Uhr).

Worum geht es?

Im April 1772 kommt es im Königreich Dänemark zu einer Palastrevolte. Opfer dieser Revolte ist der Altonaer Arzt Johann Friedrich Struensee (1737 – 1772). Struensee war im Jahr 1769 zum Leibarzt des dänischen Königs Christian VII. berufen worden, der vermutlich an Schizophrenie litt. Der Arzt vollzog einen kometenhaften Aufstieg zum Regierungschef und setzte als Aufklärer innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl politischer und sozialer Reformen durch. Struensees Gesetze zur Presse- und Meinungsfreiheit, zur Reform des Steuerwesens und die Entwicklung einer Ökonomie, welche zu Dänemark passte, führten dazu, dass Dänemark sich in dieser Zeit zu dem modernsten Staat Europas entwickelte. Natürlich riefen Struensees liberale Reformen viel Widerstand auf Seiten des Adels hervor; seine Feinde nutzten eine Affäre des Regierungschefs mit der Königin Carolina Mathilde, um ihn zu stürzen.

In Michael Beers Dramatisierung der Ereignisse um Struensees Fall entsteht das Bild eines Mannes, dem als Aufklärer einerseits kein Hindernis groß genug erscheint und andererseits dem Verliebten, der machtlos seinen Gefühlen gegenübersteht. Giacomo Meyerbeer hat die Anlage des Dramas seines Bruders wohl verstanden und bündelt in der Ouvertüre die sentimentalen Aspekte der Struensee-Figur, so dessen Herkunft aus einem tief religiösen Milieu, seine Vaterliebe, die mittels eines Andantino religioso musikalisch ausgedrückt wird, seine Liebe zur Königin (dolce e cantabile) und seinen Aufstieg.  Mitunter scheint es, als habe Meyerbeer zugunsten dieser Dimensionen den Aufklärer zurückgedrängt – am Ende ist es das Porträt einer „schönen Seele.“

Meyerbeers Bühnenmusik hatte die Aufgabe, die Vorbehalte gegenüber dem Stück seines Bruders zu beschwichtigen und die Wirkung zu verstärken. Sie besteht aus einer Ouvertüre und zwölf teils kurzen, teils umfangreicheren Stücken. Teilweise verwendet Meyerbeer Motive, die er für andere Werke vorgesehen hatte. Meyerbeer greift bereits in der Ouvertüre  die Themen Intrige und Liebe aus den einzelnen Szenen der Bühnenmusik auf und schließt mit einer siegreichen Apotheose, indem das feierliche Thema, das mit Pastor Struensee und dem edlen, religiösen Ideal assoziiert wird, in Metrum, Rhythmus, Harmonie und Tonart transformiert wird und das bleibende Vermächtnis von Struensees Vision trotz seiner persönlichen Schwäche und Tragödie verkündet.  Meyerbeers Biograf  Lionel Doriac formuliert: „Der  Schluss ist prächtig, beschwörend; man könnte es einen Sieg der Seele nennen.“ In diesem Sinne ist die Schauspielmusik Meyerbeers eine Reihe mit den anderen romantischen Bühnenmusiken wie Beethovens Egmont (1810), Schuberts Rosamunde (1823) und Mendelssohns Ein Sommernachtstraum (1826/1842 zu stellen.