Sie wollen am Puls der Zeit arbeiten, sich mit Zukunftsthemen befassen und tatsächlich etwas bewegen: Pia Hirschmann und Stefanie Nägele sind beide 23 Jahre alt und studieren im Master Energie- und Gebäudesysteme an der Hochschule Biberach (HBC). In ihrem späteren Beruf werden sie ausgeklügelte technische Lösungen für moderne Gebäude aller Dimensionen planen, die energieeffizient sind und dabei keinen Komfort vermissen lassen. Oder sie entwickeln Konzepte für Energieanlagen, um Gebäude, Kommunen oder Industrieanlagen mit der notwendigen Energie zu versorgen. Immer wird es dabei um nachhaltige Lösungen gehen und den Einsatz erneuerbarer Energien.
Den Abschluss Bachelor of Engineering haben sie bereits in der Tasche, doch sie wollten ihr Wissen weiter vertiefen und haben sich deshalb beide für das weiterführende Master-Studium an der HBC entschieden, „auch wenn die Berufsaussichten schon für Bachelor-Absolvent*innen hervorragend sind“, wissen die beiden. Nun stehen sie kurz vor dem zweiten Semester und damit vor ihrer Forschungsarbeit, im Anschluss werden sie ihre Master-Thesis verfassen. Zur Vorbereitung diente ein besonderes Lehrformat. Die Professoren Dr. Jörg Entreß und Dr.-Ing. Martin Becker haben im Master-Seminar erstmals lediglich verschiedene Themencluster vorgeschlagen, aus denen die Studierenden wählen und innerhalb derer sie eigene Fragestellungen entwickeln konnten. „Wie kommt man zu einem konkreten Thema?“, skizziert Pia Hirschmann die Herausforderung, die sich mit diesem freien Format stellte. Deshalb stand zunächst viel Recherche an, anschließend ging es in den Dialog mit den Professoren. Gearbeitet wurde in Zweier-Teams. Jeweils ein Lehrender betreute die Studierenden.
Im Fall von Pia Hirschmann und Stefanie Nägele war dies Prof. Dr. Jörg. Entreß, der an der Hochschule die Fächer Erneuerbare Energien, Sektorenkopplung und Energiewirtschaft lehrt. „Mit diesem Lehrformat bieten wir den Studierenden die Möglichkeit, kreativ eigene wissenschaftliche Fragestellungen im vorgegebenen Themencluster zu entwickeln und diese im folgenden Semester als Forschungsprojekt auch konkret zu bearbeiten. Dabei spielt neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit aktuellen Fachthemen auch das methodische, wissenschaftliche Arbeiten eine wesentliche Rolle“, erläutert Jörg Entress.
Pia Hirschmann und Stefanie Nägele entschieden sich für das Themencluster „Demand Side Management“. DSM bedeutet übersetzt so viel wie Lastmanagement und beschreibt die aktive Steuerung der Energienachfrage. Das Konzept verfolge u.a. das Ziel, die Lastkurve zu glätten und so Spitzenlasten zu vermeiden oder die Stromnachfrage der Erzeugung anzupassen, erläutern die beiden Master-Studentinnen. Dies sei vor allem bei einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von zentraler Bedeutung. Daher spiele die Anwendung eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung eines flexiblen und innovativen Energieversorgungssystems. Aber wie funktioniert das genau? Wie wird das Thema politisch und gesellschaftlich diskutiert und welche rechtlichen Vorgaben gibt es? Das waren die Fragen, mit denen sich die beiden Ingenieurinnen zunächst befassten, berichtet Stefanie Nägele. Die beiden Studentinnen genossen die Freiheit, die ihnen ihre Professoren gelassen hatten. „Wir konnten uns richtig reinarbeiten in das Thema und hatten Zeit, eigene Fragestellungen zu definieren und über Recherchen zu beantworten“, berichtet Pia Hirschmann. So gewappnet brachte der Diskurs mit Jörg Entreß die beiden im nächsten Schritt weiter. Zwar war er nicht tiefer in dem aktuellen Thema als die Studentinnen nach ihrer gründlichen Recherche, aber der Experte stellte die richtigen Fragen. „Das hat uns gezeigt, welche Aspekte wichtig sind, und das hat uns auch in anderen Studienarbeiten vorangebracht“, erzählt Stefanie Nägele.
Besonders intensiv befassten sich die beiden mit dem §14a des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zur netzorientierten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen oder steuerbaren Netzanschlüssen. Das Gesetz gibt es schon länger, der besagte Paragraf wurde hinzugefügt und ist erst seit Beginn des Jahres 2024 in Kraft. Von der Regelung sind insbesondere auch Wärmepumpensysteme betroffen, die unter Einbeziehung von Zusatz- oder Notheizvorrichtungen, zum Beispiel elektrische Heizstäbe, eine elektrische Netzanschlussleistung von über 4,2 kW aufweisen und an das Niederspannungsnetz angeschlossen sind.
„Der §14a räumt dem Netzbetreiber die Möglichkeit ein, im Falle einer konkreten Netzüberlastung den netzwirksamen Leistungsbezug von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, etwa Wärmepumpen, temporär zu begrenzen“, erklärt Pia Hirschmann. „Dies wird auch als Dimmen am Netzanschlusspunkt bezeichnet“. Die Regelung diene als Sicherheitsmaßnahme, um die Netzstabilität zu gewährleisten, aber auch, um die Ziele der Bundesregierung in Bezug auf den Ausbau von Elektromobilität und Wärmepumpen überhaupt zeitnah möglich zu machen.
In der öffentlichen Diskussion ist die Wärmepumpe jedoch längst zum Problem geworden. „Warum blicken wir nicht darauf, wie die Heiztechnik Teil einer Lösung sein kann?“, fragten sich dagegen die Kommilitoninnen und konzentrierten sich für ihre Arbeit darauf. Denn die Wärmepumpe kann eine zentrale Rolle bei der Energiewende, insbesondere im Bereich der Wärmeversorgung, spielen. Sie ist ein hoch effizientes Heizsystem, das Wärme aus der Umgebung entzieht, also aus der Luft, dem Erdreich oder dem Grundwasser, und zur Beheizung von Gebäuden nutzt. Durch den Einsatz von Speichern – das können thermische Speicher, elektrische Speicher oder die Gebäudemasse als Speicherkapazität sein – kann der Wärmebedarf eines Gebäudes wiederum zeitlich flexibel gedeckt werden. „Damit bietet das System Potential für das DSM“, erklärt Stefanie Nägele.
Ein Großteil der eingesetzten Wärmepumpensysteme nutze die Außenluft als Wärmequelle. Je geringer die Außentemperatur hierbei ist, desto weniger effizient sei eine solche Wärmepumpe, erklärt die Energie-Ingenieurin. Dies habe zur Folge, dass Wärmepumpen vor allem an kalten Wintertage eine hohe elektrische Leistung benötigen. „Kann die Wärmepumpen den Heizbedarf nicht mehr decken, wird häufig ein elektrischer Heizstab als zweiter Wärmeerzeuger eingesetzt“. An diesen Tagen könne es dann zur Netzüberlastungen kommen – und der Netzbetreiber hat nach §14a die Möglichkeit, die Leistung auf 4,2 kW zu begrenzen.
„Viele Verbraucher*innen befürchten dadurch Nachteile“, berichtet Pia Hirschmann, etwa der Verlust der Kontrolle über die eigene Heiztechnik oder Einschränkungen im Komfort. „Diese Ängste sind unbegründet“, gibt Stefanie Nägele Entwarnung: „Die Wärmepumpe kann im Regelfall im Normalbetrieb weiterlaufen, es wird lediglich der Heizstab abgeschaltet“.
Wie reagieren Verbraucher*innen auf diese Hinweise? Die beiden Masterstudentinnen haben im eigenen Umfeld erlebt, wie dankbar Mitmenschen über sachliche und fachlich korrekte Informationen sind. „Sie wollen wissen, wie das alles wirklich funktioniert“, berichtete Stefanie Nägele. Sie und Pia Hirschmann freuen sich, dass sie schon im Studium einen Beitrag in der Diskussion um die Wärmewende leisten können.
„Die beiden Studentinnen konnten mit ihrer Seminararbeit wichtige Aspekte aufzeigen, wie der weitere Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung mit dem intelligenten Betrieb von Wärmepumpen erleichtert werden kann“, resümiert Prof. Entress.