Der Expertenkreis „Aerosole & SARS CoV2“ der Landesregierung Baden-Württemberg hat nach sieben Wochen intensiver Arbeit seine wissenschaftliche Stellungnahme zur Entstehung, Infektiosität, Ausbreitung und Minderung luftgetragener, virenhaltiger Teilchen (Aerosole) in der Atemluft abgeschlossen. An der Stellungnahme haben elf WissenschaftlerInnen aus den Fachbereichen Virologie, Medizin, Biochemie, Verfahrenstechnik sowie Lüftungs- und Klimatechnik interdisziplinär zusammengearbeitet, u.a. Professor Michael Haibel, Professor für Lüftungs- und Klimatechnik, Thermodynamik und Baubiologie an der Hochschule Biberach (HBC).

Das Papier umfasst konkrete Handlungsempfehlungen zu möglichen Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen; zwei Themenbereiche stehen dabei im Fokus: die Vermeidung der Aerosol-Verbreitung und die Entfernung bereits emittierter Aerosole. Die wichtigsten Ergebnisse lauten:

  • anzustrebende Luftqualität von 800 ppm CO2
  • mobile Umluft-Filtergeräte zur Zeit kein Ersatz für regelmäßiges Lüften
  • es gibt keine Alternative zu Mund-Nase-Masken

Das ist inzwischen hinlänglich bekannt: Der Mensch setzt ganz automatisch Aerosole frei – beim Atmen, Sprechen, Singen, Husten oder Niesen. Was hilft, ist Zurückhaltung – sich nicht gegenseitig anschreien, nicht gemeinsam singen, in die Armbeuge niesen, Abstand halten. Und: das konsequente Tragen von Masken, wobei FFP2-Masken einen deutlich besseren Schutz bieten als sogenannte Alltagsmasken. Viel wichtiger aber sei, die Masken korrekt zu tragen: Mund und Nase müssen bedeckt sein, die Maske gut und vollständig anliegen, so dass die Atemluft nicht ungefiltert über die Maskenränder ausströmt. Haibel: „Ein Gesichtsschild ist nur ein Spuckschutz und kein Ersatz für eine Mund-Nasen-Maske.“

Bühnenbild: iStock

Um die Luft in Räumen aerosolfrei bzw. -arm zu halten, ist das erste Mittel der Wahl regelmäßiges, intensives Lüften. So wird aerosol-belastete Raumluft durch aerosol-freie Außenluft ersetzt. Beim Lüften über Fenster ist laut der Experten darauf zu achten, dass Fenster nicht gekippt, sondern vollständig geöffnet werden; Querlüften – also geöffnete Fenster auf verschiedenen Raumseiten – gilt als besonders effektiv.

Haibel und seine Kollegen sind sich zudem einig, dass es derzeit noch keine praktisch nutzbare Messgröße gibt, mit der man die Virenbelastung der Raumluft bestimmen kann. Deshalb empfiehlt der Expertenkreis der Landesregierung eine indirekte Messung über die Luftqualität; die Höhe der CO2-Konzentration kann als Indiz für die Raumbelastung herangezogen werden. Denn: Viele Personen in einem Raum würden sowohl eine hohe Aerosolbelastung als auch eine hohe CO2-Konzentration bewirken, erläutert Haibel, aus diesem Zusammenhang könnten hilfreiche Rückschlüsse gezogen werden, wobei der Expertenkreis eine maximale CO2-Konzentration von 800 ppm in der Raumluft empfiehlt, also etwa 0,08 Prozent.

Auch zur oftmals genannten Alternative zum Lüften, dem Einsatz von mobilen Innenraumfiltern, bezieht der Expertenrat Stellung: Diese Geräte können einen zusätzlichen Baustein zur Minderung der Aerosolkonzentration in geschlossenen Innenräumen darstellen, sind jedoch kein vollwertiger Ersatz für die regelmäßige und intensive Lüftung.

In ihrer 24-seitigen Stellungnahme behandeln die WissenschaftlerInnen all diese Themen sehr detailliert; u.a. geben sie zahlreiche konkrete Angaben zu Luftmengen und Lüftungszeiten bei unterschiedlichen Nutzungs- und Randbedingungen sowie Hinweise zu speziellen Maßnahmen, zum Beispiel für vulnerable Gruppen, also diejenigen, die besonders gefährdet sind.

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