Martin Schubert hat über zwei Jahrzehnte im Studiengang Bau-Projektmanagement der Hochschule Biberach (HBC) gelehrt. Neben den fachlichen Themen hat ihn vor allem die Frage interessiert, wie Menschen tatsächlich erfolgreich agieren und führen können. So entstand das Teamtraining, bis heute ein Erfolgsmodell des Studienganges.    

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Sind Sie teamfähig? Diese Frage wird so oder so ähnlich in fast jedem Bewerbungsgespräch gestellt. Und wer würde darauf hin nicht mit einem beherzten Ja antworten. Aber was heißt teamfähig tatsächlich und welcher Player in einem Team bin ich? Die Antwort darauf fällt schon nicht mehr so leicht – kein Wunder, denn dahinter stehen Fragen nach Menschenkenntnis, Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis.

Im Bauprojektmanagement – dem Studiengang, in dem ich bis zu diesem Sommer 23 Jahre gelehrt habe – steht das „magische“ Dreieck bestehend aus Kosten, Terminen und Qualität zur Erzielung eines Projekterfolges im Mittelpunkt. Es ist das Einmaleins des Projektmanagements, das unsere Studierenden ab dem ersten Semester lernen und anwenden. Doch wie viele Projekte scheitern an unzureichender Kommunikation, was Kostensteigerung, Rechtsstreitigkeiten wegen Mängeln und Terminüberschreitungen nach sich zieht. Die Liste der Beispiele ist lang, nicht nur im Baubereich.

Was also können wir Lehrende dazu beitragen, dass künftige Führungskräfte gut kommunizieren und agieren? In unseren Lehreinheiten legen wir seit vielen Jahren Wert darauf, dass unsere Studierenden neben den harten Fakten schon während des Studiums Erfahrung im Bereich Softskills sammeln können. Am besten gelingt dies mit Projektarbeiten, in denen reale Aufgabenstellungen im Team zu lösen sind, natürlich innerhalb eines bestimmten Zeitfensters. Doch wie entsteht eine gute Teamleistung? Zu dieser Frage hatte ich vor über 20 Jahren ein Schlüsselerlebnis: Unter verschiedenen Projektteams stach eines besonders hervor und es erbrachte eine wirklich herausragende Leistung. Ein Kollege und ich wurden hellhörig und fragten bei dem Team nach, was sie anderes gemacht haben. Die Antwort kam postwendend: „Vielleicht liegt es ja daran, dass wir im Vorfeld zu dieser Projektarbeit einen Gipfel im Lechquellengebirge (Braunarlspitze) bestiegen haben. Dabei haben wir uns ganz anders als im Hochschulalltag erlebt.“ Diese Rückmeldung war die Geburtsstunde der Teamtrainings in unserem Studienplan, das wir seither erfolgreich und mit anhaltender Begeisterung anbieten. Seit 2003 führen wir in jedem Semester (Bachelor und Master) ein Teamtraining durch, bei dem alle Beteiligten die eigene Komfortzone verlassen müssen. Die Trainings erstrecken sich über zwei, drei Tage und finden nicht an der Hochschule, sondern auf einer Berghütte in den Allgäuer Alpen statt. Ein Anstieg zur Hütte von bis zu 600 Höhenmetern mit vollem Gepäck wird schon zu Beginn für so manchen Studierenden zur Herausforderung, das Schlafen im Bettenlager sowieso. Und wenn die Outdoor-Übungen dann auch noch bei Schneetreiben oder eiskalten Temperaturen stattfinden, kann es durchaus ungemütlich werden. 

Genau diese unbequemen Rahmenbedingungen, die wir gemeinsam und gemeinschaftlich bewältigen, machen das Wochenende aus. Hinzu kommen praktische und theoretische Übungen; bei den erlebnispädagogischen Elementen werden wir seit vielen Jahren durch ein darauf spezialisiertes Unternehmen aus dem Allgäu unterstützt – von diesen Trainer*innen haben auch meine Kollegen und ich viel gelernt.

Mann beim Klettern im Gebirge
Mann beim Klettern im Gebirge

Dann geht es u.a. um die eingangs erwähnten Fragen nach Selbst- und Fremdwahrnehmung, nach dem blinden Fleck, den jeder Mensch in seiner Wahrnehmung hat, nach der Wechselwirkung in unserer Kommunikation und nicht zuletzt um die Frage: Welcher Typ ich bin und wie ich durch meine besonderen Stärken zum bestmöglichen Teamerfolg beitragen kann. Eine gute Architektur der Charaktere in einem Team baut auf die Vielfalt der Typen, wie z.B.: dem Macher, Empathiker, Rebell, Logiker und auch dem Beharrer. Nach meiner Erfahrung sind gerade für eine Generation, die schon in frühen Lebensphasen mit Internet, Smartphone und sozialen Medien aufwächst, eben diese Softskills von wachsender Bedeutung. Und wann immer ich mit Vertreter*innen aus der Industrie über unser Teamtraining sprach, bekam ich auch von dort viele positive Reaktionen und die Rückmeldung, dass diese Erfahrungen für die Entwicklung von Fachkräften als besonders wertvoll erlebt werden.


An der Hochschule selbst zeigt sich die Nachhaltigkeit der Teamtrainings in den sehr guten Leistungen unserer Studierenden. Und auch wenn sie am Ende ihres Studiums gemeinsam ihre „Große Exkursion“, die die Abschlusssemester in den vergangenen Jahrzenten auf fast alle Kontinente unserer Erde geführt haben, völlig eigenständig organisieren, zahlt sich das besondere Format aus. Durch das Teamtraining entsteht ein wachsendes Verständnis der Studierenden für sich und ihre Kommiliton*innen, daraus wiederum entwickelt sich der große Zusammenhalt in den Semestern, der es am Ende ermöglicht, dass jeder einzelne sein Studium mit mehr Freude und deshalb auch mit größerem Erfolg abschließen kann. Und was könnte es für uns Lehrende Besseres geben als mit motivierten Studierenden zu arbeiten? Ich bin dankbar und stolz darauf, über 20 Jahre lang Teil dieser Gemeinschaft gewesen zu sein.