Während sich viele Menschen derzeit auf den Weg in die Ferien machen und die Bahn als umweltfreundliche Reisemöglichkeit wählen, arbeiten Studierende der Hochschule Biberach (HBC) gemeinsam mit der DB InfraGo (Ulm) an einer noch umweltschonenderen und zukunftsweisenden Art des Bahnfahrens. Im Rahmen einer Projektarbeit haben sich die Studierenden mit dem Ausbau von Oberleitungsinseln in Baden-Württemberg – genauer gesagt der Strecke zwischen Ulm und Sigmaringen - befasst. Denn die Deutsche Bahn bestrebt das Ziel bis spätestens 2045 klimaneutral zu werden und somit das Fahren mit dem Zug noch effizienter und nachhaltiger zu gestalten – nicht nur während der Urlaubssaison, sondern das ganze Jahr über.
Das Projektteam, bestehend aus 23 Studierenden des Studiengans Bau-Projektmanagement, widmete sich über mehrere Monate intensiv der Frage, wie sich Oberleitungsinseln strategisch sinnvoll in das bestehende Schienennetz integrieren lassen. In Zusammenarbeit mit den Experten von DB InfraGo und der Unterstützung ihrer Professoren Florian Schäfer und Christof Gipperich haben sie untersucht, ob auf der Bahnstrecke Ulm-Sigmaringen eine vollständige Elektrifizierung notwendig ist oder ob alternative Antriebe wie Akkuzüge, Dieselhybridzüge oder Wasserstoffzüge geeigneter wären. Ihre Ergebnisse haben sie nun ausgewertet und beim „P-Tag“ an der HBC allen Beteiligten präsentiert.
„Zu Beginn haben wir uns auf umfangreiche Recherchen und Interviews mit externen Experten konzentriert“, erklärt Jannik Harneit, Student im 7. Semester. Anhand der gesammelten Daten konnte das Team eine Vergleichsmatrix erstellen, die die verschiedenen Antriebsarten hinsichtlich ihrer Effizienz, Wirtschaftlichkeit und ökologischen Auswirkungen bewertete. „Um zu fundierten Entscheidungen zu gelangen, wurden die gewonnenen Daten und Analysen strukturiert und in mehreren Revisionsschritten durch verschiedene Teammitglieder überprüft“, erläutert Harneit weiter. Trotz der intensiven Vergleiche und Ausarbeitungen gäbe es nicht „die perfekte Lösung“. Die Vollelektrifizierung der Strecke biete zwar zahlreiche Vorteile, insbesondere in Bezug auf Effizienz und Zuverlässigkeit, da Züge dauerhaft an der Oberleitung hängen und somit keine Ladezeiten benötigen. Zudem ermöglichen elektrifizierte Strecken eine flexible Streckennutzung. Allerdings seien die Kosten für den Ausbau der Oberleitungen sehr hoch. Alternativen wie Akkuzüge seien zwar günstiger, bergen jedoch betriebliche Risiken, da Batterien leer werden können und der Betrieb bei unvorhergesehenen Störungen eingeschränkt wäre. „Auch Hybrid- und Wasserstoffzüge stellen mögliche Optionen dar, sind jedoch in der Praxis noch wenig erprobt und oft nicht nachhaltig oder wirtschaftlich attraktiv“, kommen die Studierenden zu ihrem Ergebnis.
Eine wichtige Rolle in der Projektarbeit spielte auch das Nutzerverhalten, weshalb die Studierenden eine umfangreiche Umfrage bei Bahnreisenden durchgeführt haben. Die Antworten der rund 500 Teilnehmer*innen machten deutlich: Den Fahrgästen ist der Antrieb des Zuges weitgehend egal. Das wichtigste Kriterium sei laut der Projektgruppe, dass der Zug pünktlich fährt und das Betriebskonzept zuverlässig ist. „Ob es sich dabei um einen Batterie-, Akku- oder elektrifizierten Zug handelt, spielt kaum eine Rolle“, betont Harneit. Wichtig sei den Fahrgästen zudem, dass der Zug möglichst leise fährt und der Zugbetrieb reibungslos funktioniert. Bei Umstellungen und Baumaßnahmen sei es daher wichtig, den Bahnreisenden klar zu vermitteln, was passiert und warum.
Der Abschlussbericht des Projekts wurde kürzlich an die Professoren der HBC sowie an Vertreter der DB InfraGo übergeben, um mögliche nächste Schritte zu prüfen und das Potenzial dieser zukunftsweisenden Technologien weiter auszuschöpfen. Thomas Ludwig, Betrieblicher Infrastrukturplaner bei der Deutschen Bahn, ist begeistert von der guten Zusammenarbeit mit der Hochschule Biberach: „Beide Seiten, die Studierenden sowie die Bahn, lernen voneinander und profitieren so von den Erkenntnissen und dem Wissen.“
Profitiert haben die Studierenden von der Projektarbeit in jedem Fall, denn in den letzten Monaten haben sie viele Erfahrungen in der Projektorganisation, Teamarbeit und Kommunikation erlernt. „Diese Erfahrungen stärken nicht nur das technische Know-how, sondern fördern auch die Entwicklung von Soft Skills, die im späteren Berufsleben von unschätzbarem Wert sind“, berichtet Harneit. Durch die praxisnahen Projekte in den Semestern 6 und 7 erhalten die Studierenden des Bau-Projektmanagements wertvolle Einblicke in die Unternehmensstruktur und Arbeitsweise, die ihnen hilft, Herausforderungen in der Berufswelt besser zu bewältigen.