Wie kann die Region Oberschwaben durch die Nutzung von Geothermie für die Wärmewende profitieren und dabei Vorbildregion werden? Dieser Frage ging Dr. Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft bei einem Besuch an der Hochschule Biberach (HBC) nach. Im Institut für Gebäude- und Energiesysteme liegt ein Forschungsschwerpunkt auf der Geothermie, bei dem Vor-Ort-Termin ging es insbesondere um die tiefe und mitteltiefe Geothermie – und damit um eine Nutzung der Energie ab einer Tiefe von ca. 400 bis 1000 Meter. 

In der Region gibt es bereits eine Vielzahl von Thermalbädern mit Geothermie-Bohrungen, für Wärmenetze von Siedlungsstrukturen wie Klein- und Mittelstädte wird diese Lösung bislang kaum genutzt. Das möchten Professor Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff und sein Team ändern, um eine klimafreundliche Wärmewende voranzutreiben. Dafür arbeiten sie eng mit anderen Forschenden zusammen, etwa dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie dem Landesforschungszentrums Geothermie (LFZG). Mögliche Lösungen wurden Staatssekretär Dr. Andre Baumann und weiteren Interessierten aus Kommunen, Stadtwerken und der Energieagentur Oberschwaben vorgestellt und diskutiert.

Messsonde von Testanlage Geothermie
Baumann Reinalter Geothermie

Tiefe Geothermie kann eine entscheidende Rolle in der Energiewende spielen

Staatssekretär Dr. Andre Baumann, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft

„Tiefe Geothermie kann eine entscheidende Rolle in der Energiewende spielen“, sagt Staatssekretär Baumann. „Als klimafreundliche Zukunftstechnologie, insbesondere im Hinblick auf die Wärmeversorgung, bietet sie entscheidende Vorteile: Erneuerbare Energie lässt sich lokal, ohne Schadstoffausstoß und wetterunabhängig gewinnen. Sie erwirtschaftet einen hohen Energieertrag bei vergleichsweise geringem Flächenverbrauch. Die Potenziale zu nutzen, die es gerade hier in Oberschwaben gibt, ist auch für die Region ein großer Gewinn.“

Großes Potenzial sehen die Forschenden im Bereich der (mittel)tiefen Geothermie: In Oberschwaben werden bereits in geringen Tiefen, also bei geringeren Bohr- und Betriebskosten, durchlässige Schichten erreicht. „Diese vergleichsweise günstig erschließbaren grundwasserführenden Gesteinsschichten – sogenannte Aquifere – weisen Temperaturen ab 40 Grad auf, die für moderne Wärmenetzen mit Großwärmepumpen ausreichend sind. Die dabei eingesetzten effizienten Systeme verfügen über eine große Hebelwirkung und können auch für Altstadtgebäude sehr gut genutzt werden“, erläutert Roland Koenigsdorff. Die Thermalbäder in der Region würden seit Jahrzehnten zuverlässig durch Geothermie-Bohrungen versorgt, seien Teil der regionalen Wertschöpfung und würden dieses Potenzial belegen, so der Experte. Gerade für die Energieversorgung von Innenstädten und Ortskernen sei dies ein interessanter Ansatz, denn das Ausbaupotenzial der bisher als erneuerbarer Energieträger überwiegend eingesetzten Biomasse sei nur noch sehr begrenzt. „Mit der Nutzung der Geothermie steht hier eine effiziente und ausbaufähige Ergänzung des erneuerbaren Energiespektrums zur Verfügung“, so die Einschätzung von Prof. Koenigsdorff. Daher sei das Interesse von Stadtwerken, Kommunen und Kommunalpolitik an einem Einstieg in die tiefe bzw. mitteltiefe Geothermie sehr groß. Am Besichtigungstermin beteiligten sich Entscheidungsträger aktiv, u. a. Baubürgermeister Christian Kuhlmann und sein designierter Nachfolger Simon Menth, der zum Oktober das Amt übernehmen wird.

Koenigsdorff Geothermie
Prof. Roland Koenigsdorff

Jüngst haben die Wissenschaftler*innen von HBC, KIT und LFZG den gemeinsamen Projektantrag „Innovative geothermische Wärmenetze – IGWN“ für eine wissenschaftliche Begleit- und Transferforschung eingereicht, denn für viele Kommunen rückt die mitteltiefe Geothermie immer mehr in den Fokus – „dafür sind innovative technische Lösungen und auf die Region abgestimmte Projektkonstellationen notwendig“, erläutert Roland Koenigsdorff. Um dies anzugehen und die Kräfte zu bündeln, arbeitet eine Reihe von Kommunen, angeführt von Ravensburg, Weingarten und Biberach an der Gründung einer gemeinsamen „Geothermie-Initiative Oberschwaben“, kurz „GIO“.

„Die Region zieht gemeinsam an einem Strang, um das Thema tiefe Geothermie hier voranzubringen. In interkommunaler Zusammenarbeit werden Erfahrungen ausgetauscht und nach passgenauen Konzepten gesucht. Das sind die besten Voraussetzungen dafür, die Nutzung von Erdwärme in Oberschwaben effektiv anzugehen und zu einer festen Größe zu etablieren. Wir als Land möchten diesen Prozess bestmöglich unterstützen“, so der Staatssekretär.

Staatssekretär Baumann und den weiteren Gästen stellten die Forschenden – Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff und Prof. Dr. Frank Schilling, Leiter des Landesforschungszentrums Geothermie LFZG und Professor am KIT sowie Mitarbeitende aus allen drei Einrichtungen – das gemeinsame Vorhaben vor; zum Einstieg gab Koenigsdorff einen Einblick in die Arbeit des HBC-Institutes und Christian Kuhlmann, der Baubürgermeister von Biberach, in das Thema „Wärmeplanung und Wärmepläne regionaler Kommunen“. Auch die Initiativen der regionalen Kommunen zur Förderung der Geothermie in Oberschwaben in Zusammenarbeit mit weiteren Akteur*innen wurden vorgestellt, so etwa der regionale Verbund GIO.

Wir als Land möchten diesen Prozess bestmöglich unterstützen

Staatssekretär Dr. Andre Baumann

Prof. Dr.-Ing. Matthias Bahr, Rektor der Hochschule Biberach zeigte in seiner Begrüßung auf, wie Geothermie auch an der HBC selbst zum Einsatz kommen könnte: Im Rahmen der Campus-Entwicklung und der damit in Zusammenhang stehenden energetischen Sanierung werde geprüft, „ob Geothermie für die zukünftige Energieversorgung der Hochschule genutzt werden kann. Unsere Hochschule wird also zum Reallabor – ein spannender und herausfordernder Prozess“, so der Hochschulleiter. 

Koenigsdorff und Bahr Begrüßung
Rektor Begrüßung

Den Nachmittag nutzen die Wissenschaftler*innen zudem, um ihre Arbeit anhand von Versuchsaufbauten und Anlagen zu veranschaulichen. So besichtigte die Gruppe rund um Staatssekretär Baumann das Geothermie-Testfeld mit Messtechnik der Hochschule Biberach und des Landesforschungszentrums Geothermie sowie das Jordanbad mit seiner Geothermie-Bohrung inklusive der angeschlossenen Wärmepumpe.

Geothermie Jordanbad Besichtigung
Jordanbad Biberach Geothermie