Bühnenbild: Die Studentin Karolin Maichle hat sich die ARD-Produktion Ökozid in der Mediathek angesehen/Foto: HBC
Ökozid ist ein von der ARD produzierter Fernsehfilm, der die Folgen der Klimakatastrophe im Jahr 2034 darstellt und aufzeigt, wie 31 Länder des globalen Südens, die ohne Unterstützung der Weltgemeinschaft dem Untergang geweiht sind, die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel anklagen. Das Gericht muss entscheiden, ob die deutsche Politik für ihr Versagen beim Klimaschutz zur Verantwortung gezogen wird. Am Ende steht das Urteil: schuldig! Wir haben mit Professorin Katrin Schaber und der Studentin Karolin Maichle, beide aus dem Studiengang BWL mit Schwerpunkt Energie und Klimaschutz, über den Film gesprochen.
Der Spielfilm spielt in der Zukunft. Wie realistisch ist das dargestellte Szenario unserer Welt in 2034?
Katrin Schaber: Unrealistisch ist das nicht. Verbindliche völkerrechtliche Emissionsreduktionsziele gibt es schon lange, 1997 wurde das Kyoto-Abkommen verabschiedet, 2015 das Pariser Klimaabkommen, das sich am 12.12. gejährt hat. Auf dieser Grundlage können Länder des globalen Südens, die unter dem Klimawandel leiden, Klagen anstrengen. Und das passiert auch tatsächlich.
Karolin Maichle: Vor kurzem hat der Europäische Gerichtshof der Klage junger Portugiesen stattgegeben, die Deutschland und 32 weiteren Industriestaaten vorwerfen, nicht genug für die Einhaltung der Klimaziele zu unternehmen. Daher ist der Film gar nicht so unrealistisch.
Folgen des Klimawandels werden in teilweise drastischen Bildern dargestellt. Ist das übertrieben?
Karolin Maichle: Schon heute gibt es immer mehr Naturkatastrophe und viele Menschen müssen wegen des Klimawandels ihre Heimat verlassen. Das ist also schon heute Wirklichkeit. Allerdings stehen alle Industriestaaten vor der Aufgabe, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, nicht nur Deutschland.
Zeigt die (Weltuntergangs-) Uhr also tatsächlich „5 vor 12“?
Katrin Schaber: Berechnungen des Weltklimarats von 2017 zeigen, dass für ein stabiles Klima die globale Erderwärmung nicht mehr als 1,5 Grad steigen darf – und dass wir deshalb weltweit nur noch 420 Giga-Tonnen Treibhausgabe in die Erdatmosphäre ablagern können. Allerdings emittieren wir 42 Giga-Tonnen pro Jahr. Es ist also eine einfache Rechnung: Das Budget ist 2027 voll. Für Deutschland heißt dies, das die kommenden Legislaturperioden entscheidend ist – ist es also tatsächlich 5 vor 12 Uhr.
Karolin Maichle: Wir sehen heute schon die Konsequenzen des Klimawandels. Und die Entwicklungsländer haben noch mehr zu kämpfen als wir. Studien zeigen zudem, dass es günstiger ist, heute in Klimaschutz zu investieren als später für die Folgeschäden bezahlen zu müssen.
Was macht die deutsche Politik bereits richtig und wo muss sie noch besser werden?
Karolin Maichle: Die Energiewende ist natürlich ein Mammutprojekt mit vielen Einflussfaktoren. Und grundsätzlich finde ich schon: Deutschland bemüht sich und hat viele Rahmenbedingungen geschaffen, die sinnvoll sind, zum Beispiel das Erneuerbare Energie-Gesetz. Allerdings denkt die Politik eher ökonomisch als ökologisch – daran muss noch gearbeitet werden.
Was muss passieren, damit ein Umdenken stattfindet?
Karolin Maichle: Zuallererst ist die Energiewende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Jeder kann und muss seinen Beitrag leisten.
Katrin Schaber: Das ist genau der richtige Ansatz: Die Energiewende braucht viele kluge Köpfe, die sich engagieren.
Dafür befähigt zum Beispiel das Studium BWL mit Schwerpunkt Energie und Klimaschutz. Was genau lernen Sie?
Karolin Maichle: Wir lernen die betriebswirtschaftlichen Grundlagen wie z.B. Marketing, VWL und Finanzierung. Vertiefend beschäftigen wir uns mit den unterschiedlichen Bereichen der Energiewirtschaft, etwa Erneuerbare Energien, Netzwirtschaft und Smart Energy. Und wir befassen uns mit den Herausforderungen des Klimawandels, zum Beispiel mit Elektromobilität oder Energieeffizienz. Auch Gesetze, Gesetzesänderungen lernen wir kennen und verstehen.
Katrin Schaber: Alle Bereiche der Energiewirtschaft unterliegen einer starken Veränderung: Verbrenner- zu Elektromotor, konventionelle Stromerzeugung zu erneuerbarer Stromerzeugung und ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Wie integrieren wir die Erneuerbare Energien in das System und welche Herausforderungen kommen dadurch auf uns zu? Hier bieten wir eine gute Grundlage, damit unsere AbsolventInnen im Beruf diesen Pfad weiter vorantreiben können.
Wie gelingt diese Transformation?
Katrin Schaber: Tatsächlich war Deutschland Vorreiter in Sachen Energiewende. Aber sobald die innovativen Technologien aus der Nische herausgekommen sind, ging das ökonomische Denken los. Industriezweige wie die Stromerzeugung müssen sich stark verändern. Sie hat wie die Automobilbrache einen sehr großen Einfluss auf die Energiepolitik. Wichtig für die notwendige Transformation ist ein konsistentes und verbindliches Gesamtkonzept, hier sehe ich ein Manko.
Was wünschen Sie sich von den politisch Verantwortlichen?
Katrin Schaber: Für den Kohleaussteig wurde damals ein runder Tisch einberufen, warum nicht auch für den Netzausbau? Dass verschiedene Interessensvertreter gemeinsam eine Lösung finden, ist methodisch betrachtet ein sinnvolles Element für die deutsche Energiepolitik.
Karolin Maichle: Und Entscheidungen müssen schneller fallen. Gerade im Netzausbau tut sich schon viel zu lange viel zu wenig.
Wann haben Sie Ihr Interesse für Nachhaltigkeit entdeckt?
Karolin Maichle: Ich habe an meiner Schule eine Ausbildung zur Umweltmentorin gemacht, eine Umwelt-AG gegründet und Umweltrallyes durchgeführt. Dort habe ich jüngeren MitschülerInnen den Klimawandel erklärt und gemerkt, dass ich so einen Beitrag leisten kann und das auch im Beruf machen möchte.
Katrin Schaber: Das ist genau das, was mir Hoffnung macht: dass sich immer mehr junge Menschen für unsere Umwelt interessieren und sich Gedanken machen, was sie tun können.
Prof. Dr. Katrin Schaber
Hat sich Ihr Blick auf das Thema Klimawandel und Energiewende gewandelt?
Katrin Schaber: Ich bin im positiven Sinne radikaler geworden und – je mehr ich mich damit beschäftige – von der Dringlichkeit des Problems überzeugt. Ich bin aber auch vorsichtig positiv gestimmt, weil der Druck steigt und sich viele Menschen für den Klimaschutz engagieren, beispielsweise in der Bewegung Fridays for Future.
Karolin Maichle: Das nehme ich auch wahr. Das Thema Klimawandel nimmt an Bedeutung zu – und das ist auch gut so.