Bildinformation: Die Master-Studierenden Nikolaus Wechs (links) und Tobias Moderau von der Hochschule Biberach haben ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Isnyer Unternehmen Früchte Jork durchgeführt. Unser Bild zeigt sie gemeinsam mit Rainer Stirm (Technischer Leiter der AL-Logistik) neben dem Verflüssiger einer Kompressionskältemaschine (Kältemittel: Propan). Im Hintergrund ist die Stadt Isny im Allgäu zu sehen / Foto: privat
Früchte und Lebensmittel umweltfreundlich kühlen – und zwar im großen Stil. Dieses Ziel verfolgt der Unternehmer Joachim Jork aus Isny und mit diesem Anliegen kam er im vergangenen Jahr auf das Institut für Gebäude und Energiesysteme der Hochschule Biberach (HBC) zu. Denn die Anlagen, die er in seinem Lebensmittel-Logistikzentrum hat installieren lassen, laufen weniger effizient als geplant.
Der Unternehmer hat über zehn Jahre hinweg in eine moderne und klimaschonende Energieversorgung investiert und das System für die Kälte- und Wärmeversorgung immer wieder erweitert. Dabei setzte er auf die natürlichen Kältemittel Propan, CO2 und Ammoniak sowie eine innovative Kraft-Wärme-Kältekopplung. Bei optimalem Betrieb sollte so eine energieeffiziente Kühlung für die Lebensmittel, die in den Hallen lagern, gewährleistet sein; gleichzeitig will der Unternehmer die anfallende Abwärme zur Gebäudebeheizung nutzen. Allerdings: „Die Komplexität der Energieanlage nahm immer mehr zu – und die einzelnen Bestandteile sind nicht aufeinander abgestimmt“, fasst der Biberacher Professor Alexander Floß das Ergebnis einer umfassenden Betrachtung zusammen. Diese ganzheitliche Analyse haben seine Studenten Tobias Moderau (24) und Nikolaus Wechs (24) vorgenommen, die an der Hochschule Biberach im Masterstudium Energie- und Gebäudesysteme studieren. Für das darin integrierte Forschungsprojekt haben sie – betreut durch den Anlagen-Experten Floß – in Zusammenarbeit mit der Firma Früchte Jork die Kälte- und Wärmeversorgung des Unternehmens Abschnitt für Abschnitt unter die Lupe genommen und so Ansatzpunkte für Optimierungen aufgedeckt.
„Diese ganzheitliche Betrachtung war der Schlüssel“, sagt Tobias Moderau und sein Kommilitone ergänzt: „Bisher wurden die verschiedenen Abschnitte der Anlage getrennt voneinander bewertet“. Die Anlage ist komplex: Allein die Kälteversorgung umfasst vier Kompressions- und eine Absorptionskältemaschine, die wiederum von einem Blockheizkraftwerk (BKHW) mit Wärme auf hohem Temperaturniveau versorgt wird. So werden die jeweils rund 400 m² großen Kühlhallen des Unternehmens sowohl mit Pluskälte (über 0 °C) als auch mit Tiefkälte (ca. -20 °C) versorgt.
Die Abwärme des BHKW – ca. 90°C – sollte vorzugsweise für die thermisch angetriebene Absorptionskältemaschine genutzt werden. Für die Wärmeversorgung der Büro- und Wohngebäude steht Abwärme der Kompressionskältemaschinen auf niedrigerem Temperaturniveau zur Verfügung. In Zukunft will Joachim Jork zusätzlich Abwärme an ein kaltes Nahwärmenetz der Stadt Isny abgeben, um einen weiteren Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung im Allgäu zu leisten.
Die sorgfältige Analyse der Studierenden brachte hervor, dass der Heizwärmebedarf der Gebäude zu einem großen Teil aus der Abwärme des BHKW stammt die damit an der Absorptionskältemaschine fehlt. Die für die Gebäudebeheizung vorgesehene Abwärme der Kompressionskältemaschinen wurde hingegen ungenutzt an die Umgebung abgeführt. Durch den künftigen, zielgerichteten Einsatz der jeweiligen Abwärme-Nutzungen können die Verluste reduziert werden.
Auch erkannten die Biberacher Studenten, dass das Temperaturniveau der Kälte-Verteilnetze angehoben werden kann. „Dadurch können wir den Energiebedarf bis zu 30 Prozent senken und die Leistung der Absorptionskältemaschine weiter steigern“, erklärt Moderau. Als weitere Maßnahme schlagen er und sein Kommilitone eine Massenstrom-Regelung im Verteilnetz vor. „Damit können wir die elektrische Antriebsenergie der Pumpen um bis zu 80 Prozent reduzieren – und die Rücklauftemperatur im Solenetz steigt, was sich zusätzlich positiv auf die Effizienz der Absorptionskältemaschine auswirkt“, erläutert Wechs.
Mit all diesen Maßnahmen gelingt den Studierenden, was sich Joachim Jork seit Langem erhofft hat: eine nachhaltige Energieversorgung für sein Unternehmen, das er „insgesamt ökologisch, sozial und ökonomisch ausrichten möchte“. Die Ergebnisse ihrer umfassenden Untersuchung präsentierten die Studierenden nun dem Unternehmer und den ausführenden Firmen vor Ort. Alle zeigten sie sich beeindruckt von der Arbeit der Biberacher Studierenden und dem Potenzial, das sie aufgedeckt haben.
„Das Projekt zeigt, dass theoretische Planung und praktische Umsetzung mitunter voneinander abweichen“, sagt Unternehmer Joachim Jork. Nun aber könne er aus den gewonnenen Erkenntnissen Maßnahmen ableiten und „ohne großen Aufwand einen bemerkenswerten positiven Effekt erzielen“.
Die Offenheit und das Vertrauen der technischen und organisatorischen Verantwortlichen der Firma Früchte Jork sowie die Unterstützung der beteiligten Firmen seien die Grundlage für ihr erfolgreiches Forschungsprojekt gewesen, so die Studierenden. Aufgrund dieser für beide Seiten gewinnbringenden Zusammenarbeit wollen beide ihre zum Abschluss des Studiums anstehende Master-Thesis über Teilaspekte der Anlage verfassen. Nikolaus Wechs will dafür die Kälte-Wärme-Kopplung tiefer analysieren, Tobias Moderau das BHKW in Verbindung mit der Absorptionskältemaschine. Denn das Thema Kältetechnik finden sie beiden spannend – und wichtig für klimafreundliches Planen und Bauen. „Um das Klimaziel erreichen zu können, die Erderwärmung bis 2030 auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen wir insbesondere CO2 einsparen“, so Professor Floß. Natürliche Kältemittel könnten dabei einen wichtigen Beitrag leisten – „und damit auch Kältemaschinen, in denen diese Gase zum Einsatz kommen“.
Prof. Dr.-Ing. Alexander Floß
Weitere Informationen zum Master-Studium
Der Masterstudiengang Energie- und Gebäudesysteme bereitet für leitende Positionen in der Planung und Ausführung sowie dem Betrieb von Gebäuden und Energietechnischen Anlagen vor. Auch Hersteller gebäudetechnischer oder energietechnischer Komponenten und Anlagen gehören zu den potenziellen Arbeitgebern. Besonderen legt das Studium auf den Erwerb wissenschaftlicher Methoden, die z.B. in der Forschung und Entwicklung (FuE) erforderlich sind. Das Studium ist wissenschaftlich und projektorientiert angelegt und wird in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Gebäude- und Energiesysteme (IGE) der Hochschule Biberach absolviert. Das Studium schließt nach drei Semestern mit dem Master of Sciene (M.Sc.) ab.