


Wir kennen die Systeme aus den Branchen Spedition, Luftfahrt oder Handel: Paketdienste setzen GPS- und Barcode-Systeme ein, um Sendungen in Echtzeit zu verfolgen, Fluggesellschaften verwenden Tracking-Systeme, um Gepäck und Ersatzteile zu lokalisieren und zu verwalten. Auch im Einzelhandel werden Identifikationssysteme in der Lagerhaltung und im Verkauf verwendet, um die Verkaufsgüter zu überwachen.
Studierende der Hochschule Biberach (HBC) sind nun der Frage nachgegangen, welche Systeme es im Bauwesen gibt, um die Abläufe auf zum Beispiel Baustellen zu optimieren. Die Gruppe um die Dozenten Prof. Dr.-Ing. Michael Denzer, der im Studiengang Bau-Projektmanagement eine Stiftungsprofessur für Baulogistik innehat, sowie Prof. Dr.-Ing. Martin H. Spitzner befasste sich im aktuellen Sommersemester mit der Frage, wie Identifikationssysteme im Bereich Schalung und Rüstung eingesetzt werden. Die Projektleitung für das Team aus dem siebten Semester übernahmen Jonas Hartung (27, aus Bonn) und Hannes Högg (25, aus Zaisertshofen).
„Die bewusste Wahrnehmung und Verbesserung der logistischen Aktivitäten auf einer Baustelle und in den Bauunternehmen spielen branchenweit leider noch eine untergeordnete Rolle“, berichtet Prof. Denzer. Daher erarbeite die Gruppe zusammen mit den Praxispartnern PERI, LIEBHERR sowie WOLFF & MÜLLER den konkreten Nutzen von Tracking-Systemen in Schalungs- und Rüstungselementen, so der Experte.
Der Fokus in diesem Bereich liegt auf digitalen Lösungen, die eine bessere Identifikation der Bauteile auf Baustellen ermöglichen. „Durch die Echtzeit-Ortung kann nachverfolgt werden, welche Schalungs- und Rüstungsteile wo und bis wann auf der Baustelle im Einsatz, und welche noch im Lager vorhanden sind. So kann exakt geplant werden, was für die nächsten Bauaufgaben zusätzlich geordert werden muss, was Verzögerungen und Engpässe bei der Materialverfügbarkeit reduziert“, erklärt Hannes Högg.
Auch vor Verlusten schützt die Technologie: Der Diebstahl von Bauteilen wird erschwert, denn die Elemente können leichter zurückverfolgt werden; auch ist es möglich Warnungen auszulösen, wenn ein Teil ungeplant abtransportiert wird. Einen wesentlichen Effekt sehen die Studierenden auch in der Vermeidung von Verwechslungen oder fehlgeleiteten Transporten. „Alle diese Anwendungsbeispiele sind für einen reibungslosen Ablauf auf der Baustelle relevant und sparen Zeit – und damit Kosten“, erläutert Jonas Hartung die wichtigsten Aspekte einer optimalen Baulogistik. Dabei würden sich die konkreten Anwendungsfälle entlang der gesamten Prozesskette bewegen – vom Bauhof über die Baustelle bis hin zur Rückführung der Materialien mit anschließender Wartung und Instandhaltung, so die Projektleitung.
Nach deren Einschätzung profitieren insbesondere mittelständische und große Unternehmen, die über erhebliche Mengen an Schalungsmaterial verfügen, von der Technologie. Doch auch für kleinere Unternehmen, bei denen die Implementierung neuer Technologien meist einfacher ist, kann es interessant sein, sich mit dem Materialtracking zu befassen. Für die Projektarbeit hat das Team zunächst umfangreiche qualitative Interviews mit den Praxispartner geführt, um zu erheben, welche Erfahrungen und Erwartungen es gibt. Thematisch erfasst wurde jeweils der Status quo der benutzten Hard- und Software, der etablierten Prozesse sowie der Probleme und Herausforderungen, mit denen sich die Fachleute konfrontiert sehen. Dabei ging es nicht um eigene Interpretationen, Wertungen und Meinungen, sondern ausschließlich um die neutrale Analyse der Interviews, erläutert die Projektleitung. Für die Gespräche standen ihnen kompetente Ansprechpartner*innen aus den Partner-Unternehmen zur Verfügung. Die Firmen sind Stifter der Stiftungsprofessur und sie alle brachten unterschiedliche Voraussetzungen in das Projekt ein: So gilt PERI aus Weißenhorn (Hersteller und Vermieter von Schalungs- und Gerüstsystemen) als Vorreiter im Einsatz von Tracking-Technologie für Schalungs- und Gerüstsysteme; Liebherr-Werk Biberach (Hersteller von Baumaschinen, u.a. von Kranen) integriert Tracking-Technologien vor allem in den Bereich Baumaschinen und Geräte und WOLFF & MÜLLER (Baudienstleister für alle Phasen im Lebenszyklus eines Bauwerks) macht sich für die Digitalisierung insgesamt stark und ist bestrebt, Prozesse mithilfe von digitalen Plattformen zu verbessern.
„Jedes Unternehmen hat seine spezifische Perspektive auf das Thema – durch die Auswertung der Interviews und einer fundierten Recherche ermöglichen wir einen umfassenden Überblick“, erläutert Jonas Hartung. Mit ihrem unvoreingenommenen Blick führten die Studierenden Gespräche, werteten sie aus und zeigen zum Ende des Projekts konkrete Anwendungsbeispiele auf. Dabei blickte das Projektteam auch in die Zukunft: Welche Technologien ergeben Sinn, welche Herausforderungen müssen bewältigt und welcher Kosten-Nutzen kann erwartet werden? „Die beteiligten Unternehmen erhalten für jede Herausforderung die spezifische technische Lösung“, so Högg. Dabei sind unterschiedliche Systeme nutz- und kombinierbar: Internet of Things (IoT), Radio Frequency Identification (RFID), Global Positioning System (GPS) oder Bluetooth Low Energy (BLE).
Auf Basis solcher Systeme wird die Identifikation, Standortermittlung und Überwachung von Bauteilen in Echtzeit ermöglicht: Dabei wird jedes Bauteil mit einem Sensor ausgestattet, der eine eindeutige Identifikationsnummer enthält. Die Sensoren senden Informationen wie Standort, Bewegungsdaten oder Zustandsinformationen an eine zentrale Plattform. Die gesammelten Daten werden in einer Software analysiert, die den Status und die Position der Bauteile in Echtzeit anzeigt. Anschließend können die Daten in bestehende Logistiksysteme integriert werden.
Ihr gemeinsames Projekt hat das Team zum Ende des Sommersemesters beim sogenannten P-Tag präsentiert; in diesem Format werden aktuelle Projekte des Studienganges Projektmanagement vorgestellt und die Erfolge der Studierenden und Absolvent*innen gefeiert. Aus ihren Analysen stellen sie auch für die Unternehmen einen umfangreichen Überblick zur Verfügung, leiten den aktuellen Stand bei Identifikationssystemen daraus ab und sprechen konkrete Anwendungsempfehlungen aus. „Hersteller, Nutzer und Beweger von Schalungs- und Rüstungselementen können auf dieser Grundlage entscheiden, wie sie ihre Unternehmen künftig ausrichten, um die Prozesse auf Baustellen noch effizienter organisieren zu können“, so Högg.