Traditionell im Januar erreichen die Jahresendabrechnungen der Energieversorger die Haushalte und Unternehmen. Gas, Strom und Wasser – alles scheint teurer geworden zu sein. Bleiben die gestiegenen Preise und welche Mechanismen stecken hinter der enormen Steigerung?
Bestimmung durch weltweites Geschehen
Um es vorweg zu nehmen: Es handelt sich um einen Wintereffekt, die Preise werden sich also wieder entspannen. Den Grund für die Entwicklung sieht Professor Stefan Ulreich, der an der Hochschule Biberach (HBC) Energiehandel, Risikomanagement und Energiepolitik im Studiengang BWL mit Schwerpunkt Energie und Klimaschutz lehrt, in den globalen Zusammenhängen des Erdgasmarkts: „Durch die stärker zunehmende Nutzung von Flüssigerdgasschiffen, wird Erdgas inzwischen nicht nur über Pipelines transportiert, sondern per Schiff von Australien nach China geliefert, von Nordafrika nach Spanien, von Katar nach Japan“. Gaspreise werden also nicht mehr nur von der lokalen Nachfrage einer Region oder eines Landes bestimmt, sondern zunehmend vom weltweiten Geschehen.
Wie der promovierte Physiker erläutert, haben sich im Laufe des vergangenen Jahres die wirtschaftlichen Aktivitäten in vielen asiatischen Ländern deutlich erholt. Zugleich wurde in China Kohle weniger stark genutzt und durch Erdgas ersetzt, hinzu kam die Angst vor einem sehr kalten Winter in China, Japan und Südkorea. Damit stieg weltweit die Nachfrage nach Erdgas – und somit der Preis. Gleichzeitig aber mussten nach einem sehr kalten Winter vor einem Jahr die Gasspeicher auf der Nordhalbkugel wieder befüllt werden.
Prof. Dr. Stefan Ulreich
Erdgaspreise lassen wieder nach
Dennoch gibt Professor Ulreich Entwarnung für den künftigen Marktpreis: „Der Preisanstieg ist nicht nachhaltig!“ Da es vor allem ein Wintereffekt ist, werden die Preise für Erdgas im Verlauf der Zeit wieder nachlassen. Ein bewährter Gradmesser dafür sind die sogenannten Terminpreise an der Energiebörse EEX (Leipzig). Dort werden künftige Gaslieferungen bereits jetzt gehandelt, d.h. ein Großhändler kann Gas, das im nächsten oder übernächsten Jahr geliefert wird, bereits heute kaufen oder verkaufen. Die fallende Tendenz ist laut dem Experten für Energiehandel klar erkennbar: Treiben die hohen Preise bis März 2022 noch den Preis für das gesamte Jahr 2022 nach oben, ist in den folgenden Jahren ein deutlicher Preisrückgang zu erkennen. Das ist natürlich keine Garantie, doch sehen die Akteure an den Märkten, z.B. große Industriefirmen mit hohem Gasverbrauch oder Stadtwerke, die Situation in den folgenden Jahren deutlich entspannter, weiß Professor Ulreich.
Festpreistarife vs. variable Tarife
Was das für die private Gasrechnung bedeutet? Das hängt laut Ulreich von den konkreten Gasverträgen ab. Unterschieden wird zwischen Festpreistarifen und variablen Tarifen. Wie der Name schon vermuten lässt, ist beim erstgenannten Vertragstyp ein fester Preis über die Vertragslaufzeit garantiert. Der Verkäufer orientiert sich dafür an den aktuellen Gaspreisnotierungen für zukünftige Lieferungen an den Börsen. Zu diesen Preisen muss er schließlich das Gas einkaufen, das er dann an seine Kunden ausliefert. Das bedeutet: Steigen die Börsenpreise stark, sollten keine neue Gasverträge abgeschlossen werden, so der Rat des Experten. Hat man einen solchen Vertrag bereits vor einiger Zeit abgeschlossen – und die Festpreisgarantie umschließt den jetzigen Winter – muss man sich dagegen um die gestiegenen Gaspreise zunächst keine Sorgen machen. Erst ein Auslaufen der Preisgarantie kann sich auswirken und zu Effekten führen. Anders sieht es bei den variablen Tarifen aus: die, je nach Ausgestaltung, der Bewegung der Börsenpreise folgen – Preissteigerungen an den Großhandelsmärkten führen also direkt zu einer höheren Gasrechnung.
Titelbild: ©Pixabay/Anita Starzycka